Blitz: Die Chroniken von Hara 2
unterwegs zu sein – das ist allemal besser als eine Begegnung mit einer Verdammten. Und es grenzte an ein Wunder, dass wir mit heiler Haut davongekommen waren.
»Sie ist dem Regenbogental sehr nah«, murmelte Lahen an der Kreuzung. »Irgendwas braut sich hier zusammen.«
»Was meint ihr, welche Straße nimmt die Verdammte, wenn sie genug davon hat, im Haus des Herrn Aligo zu sitzen und die Shafvorräte unseres Wirts zu verkleinern?«
Wir blickten alle auf die Straße, die nach Nordwesten führte.
»Da kommt sie zum Ufer. Aber wenn wir jetzt wieder in die Steppe …«
»Achtung!«, unterbrach mich Lahen und riss die Armbrust vom Rücken. »Gefahr im Verzug!«
»Was meinst du?«, fragte ich. »Hier ist doch nirgendwo eine Menschenseele.«
»Jemand ruft gerade seinen Funken an! Das spüre ich!«
Sie sah sich nervös nach allen Seiten um.
»In Deckung!«, schrie Shen und sprang zur Seite.
In dem Moment bemerkte auch ich es: Keine zehn Schritt von uns entfernt erzitterte die Luft. Nebel wogte auf, aus dem drei Gestalten heraustraten. Kapuzen verschatteten ihre Gesichter, die weißen Umhänge leuchteten jedoch wie Rüstungen in der Sonne. Alle drei hielten einen Stab mit einem Schädelknauf in den Händen.
Ich schleuderte mein Wurfbeil, Lahen schoss aus der Armbrust, doch der Nekromant an der Spitze dieses Trios wehrte unseren Angriff derart beiläufig ab, als handelte es sich bei den Geschossen lediglich um lästige Fliegen. Mit einem leisen Knirschen verwandelten sich sowohl das Beil als auch der Bolzen in schwarzen Staub, der sich zu einer Wolke formte und in der Luft hängen blieb.
Shen ging zwar mit einer winzigen Verzögerung zum Angriff über, dafür aber höchst wirkungsvoll. Ein festes Knäuel aus tiefschwarzen Tentakeln jagte auf den Nekromanten zu. Der riss seinen Hilss hoch und schrie einige Worte in der groben Sprache der Sdisser. Etwas loderte hell auf, ein ohrenbetäubendes Fauchen war zu hören, und ich flog rücklings auf den Boden. Die Haut an meinen Händen und im Gesicht brannte schier, meine Augen tränten. Vor Schmerz stöhnend zwang ich mich aufzustehen.
Lahen und Shen lagen am Boden, an ihren Handgelenken schimmerten magische schwarze Fesseln, neben ihnen standen zwei Nekromanten.
Sie hatten uns erwischt!
Der dritte Sdisser, der, den Shen mit seinem Zauber angegriffen hatte, kam gerade auf mich zu. Sein Stab war zu einer hauchfeinen Nadel verkohlt, der Umhang an der linken Seite und seine Hand leuchteten schwarz. Da ihm die Kapuze vom Kopf gerutscht war, zeigte sich, dass er kein junger Mann mehr war. Schmerz hatte das faltige Gesicht grau gefärbt, die schmalen Lippen bluteten.
Ich wollte einen Pfeil aus dem Köcher ziehen, schaffte es aber nicht mehr: Der Bogen loderte auf und verbrannte mir abermals förmlich die Hände. Tränen rannen mir aus den Augen. Doch ich gab nicht auf, sondern zog den Dolch. Der Nekromant bewegte sich trotz seines fortgeschrittenen Alters weit schneller als ich und stellte sich selbst mit nur einer Hand als gefährlicher Gegner heraus. Leichtfüßig, fast als tanzte er, entging er meiner Attacke und versengte mir mit dem Hilss die rechte Hand. Trotzdem ließ ich die Waffe nicht fallen, sondern zielte noch einmal nach dem Sdisser. Mit dem Ergebnis, dass mir mein Gegner einen Schlag gegen die Rippen verpasste.
Durch meine Seite flutete eine Welle des Schmerzes. Ich warf den Dolch weg und versuchte, mit bloßen Händen an den Dreckskerl heranzukommen.
»Ich brauche ihn lebend, Hamzy!«, hörte ich. »Unbedingt!«
Es folgte ein Schlag vors Knie. Ich fiel auf den Rücken. Etwas explodierte, und ein schwarzer Keil spaltete mir mit dumpfem Knirschen den Schädel.
Kapitel
22
Eine purpurrote Flamme, eine brennende alte Kastanie. Die tote Verdammte Lepra, Shen, der weint. Ceyra Asani, die bei lebendigem Leibe in der Steppe dem Feuer zum Opfer fällt. Die roten Haare der Verdammten Cholera. Spielkarten, die wie Schneeflocken durch die Luft wirbeln.
»Tut mir leid, mein Junge!« Eine Armbrust klickt. Asche, überall nichts als Asche. Ein erstickender Geruch nach Schwefel. Ein Mann zeichnet mit einem beinernen Stab eine magische Figur in den Boden. Gräber. Gräber. Gräber. Ein Friedhof. Der Mond. Ein purpurroter Mond. Jemand folgt mir. Gefahr naht. Ich drehe mich um.
Die blauen Augen Lahens. Sie stürzt in einen Abgrund. Sie trägt die Maske der Verdammten Blatter. Ein Hochwohlgeborener, der lacht. Eine Flamme. Eine purpurrote Flamme. Es riecht nach
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