Blitz: Die Chroniken von Hara 2
Zelle schien das Dunkel noch dichter. Da musste er hocken. Wenn ja, dann war er kräftig und kein Kind mehr, sondern ein ausgewachsener Blasge, offenbar ein Krieger. Ein Khagher, wie es in ihrer Sprache hieß. »Ja, ein Khagher«, entfuhr es mir laut.
Als mein Gegenüber das hörte, lachte es zufrieden: »Du begwareifst sehr schnell, Menschlein. Ja, gwenau, ich bin ein Khagher.«
»Was macht ein Khagher so fern von den heimischen Sümpfen?«
»Khaghun hat mich auf eine Reise gweschikwat.«
Die Blasgen taten sich etwas schwer mit der Sprache von uns Menschen, während ihre eigene Sprache in unseren Ohren wie Quaken klang.
»Wir sind froh, dass du gwesund bist. Wir dachten schon, du gwest zu Khaghun. In die Welt, wo die Sonne das Wasser wärmt, den Torf und die fetten Würmer.«
»Für mich ist es noch zu früh, um den Würmern einen Besuch abzustatten.«
»Das hat sie auch angwenommen. Deshalb hat sie dich gweheilt. Gwalauben wir jedenfalls.«
»Sie?«
»Natürlich, sie«, sagte er, drehte sich um und quakte nun etwas in einem tieferen Ton. Dann wandte er sich wieder an mich: »Wenn sie das nicht gwetan hätte, wärst du schon längwast nicht mehr unter uns.«
»Und wer ist sie?«
»Die Hexe. Die den Sumpf vergwiftet.«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich daran zu erinnern, dass die Vergifterin der Sümpfe bei den Blasgen der Name für die Verdammte Lepra war. Das bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen: Wir waren ihr doch nicht entkommen.
Ich Idiot! Ich selbstgefälliger Idiot! Warum hatte ich bloß darauf bestanden, durch die Steppe zu ziehen?! Selbst wenn wir ein paar Wochen verloren hätten – alles wäre besser gewesen, als Lepra in die Hände zu fallen. Und das Schlimmste: Für meine Sturheit musste nun Lahen bezahlen!
»Bin ich schon lange hier?«
»Die Sonne ist viermal aufgwegwangwen.«
Vier Tage!
»Wurde außer mir noch jemand hergebracht?«
»Erinnerst du dich denn an gwar nichts mehr, Menschlein?«, fragte er zurück. »Außer dir ist niemand hergwebracht worden.«
»Hast du etwas über eine Frau gehört?«
»Nein. Ist sie dein Weibchen?«
»Ja.«
»Wenn sie auch gwefangwen gwehalten wird, dann nicht hier.«
»Wo könnte sie sonst sein?«, wollte ich wissen. Der Gedanke an das, was Lahen womöglich angetan wurde, trieb mich fast in den Wahnsinn.
»Das weiß Khaghun allein, wir kwönnen es dir leider nicht sagwen. Jetzt ist Nacht, die Zeit des bauchigwen und zärtlichen Mondes und der süßen, gwalokwenhell kwalingwenden Lieder. Aber ich habe seit Langwem nicht mehr gwesungwen, und der Mond ist auch nicht mehr zärtlich zu mir. Ich lebe, wenn es hell, nicht wenn es Nacht ist. Schlaf jetzt, Menschlein. Morgwen sieht bestimmt alles anders aus. Wenn du wieder gwesund gweworden bist, heißt das, Khaghun braucht dich noch. Und auch die Vergwifterin der Sümpfe. Mit deinem Weibchen ist sicher auch alles in Ordnungwa. Daran gwalauben wir.«
Er verstummte, und ich setzte ihm nicht weiter mit Fragen zu. Der Blasge dürfte kaum mehr wissen, als er mir erzählt hatte. Die ganze Nacht über machte ich kein Auge zu, so fürchtete ich um Lahen.
Da es in der Zelle kein Fenster gab, unterschied sich der Tag nicht von der Nacht. Um uns herum herrschte nach wie vor Finsternis. Niemand dachte daran, uns Fackeln zu bringen, geschweige denn Wasser und Brot. Erst jetzt fiel mir auf, wie hungrig ich war.
»He, Blasge!«
Das Stroh raschelte.
»Was ist, Menschlein?«
»Wann kriegen wir was zu essen?«
»Gwaleich«, antwortete er lachend. »Yumi hat schon Schritte gwehört. Jemand kwommt zu uns.«
Noch ehe ich mich erkundigen konnte, wer Yumi sei, wurde der Riegel an der Tür zu unserem Trakt zurückgeschoben. Die Angeln mussten vor einer Ewigkeit das letzte Mal geölt worden sein und quietschten fürchterlich. Dann waren Schritte zu hören. Mit jeder Sekunde wurde es im Gang, der meine Zelle von der des Blasgen trennte, heller und heller.
Uns besuchten zwei Nabatorer Soldaten. Einer hatte eine Armbrust geschultert und trug eine Laterne, der andere schnaufte und brachte uns etwas zu essen.
Der mit der Armbrust hängte die Laterne an einen Haken und trat vor meine Zelle. »Ah, bist du endlich aufgewacht. Wünsche, angenehm geruht zu haben.«
»Halt die Schnauze, Loss!«, knurrte der andere. »Hast du vergessen, was man dir befohlen hat? Wir sollen nicht mit ihm reden.«
»Nun mach mal halblang, du Giftzahn«, fuhr ihn Loss an. »Erfährt doch niemand.«
»Als ob man der was
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