Blitz: Die Chroniken von Hara 2
Hilfe. Jede Mutmaßung darüber, dass in meinen Funken ein Zauber oder – wie Ihr es nennt – eine Armbrust eingewoben ist, die bei einer Begegnung mit den Verdammten einen Schuss abgibt, muss ich daher ins Reich der Phantasie verweisen. Und was wäre, wenn Ihr Euch irrtet? Wenn ich, nur einmal angenommen, der Verdammten Blatter begegnete – und diese Armbrust keinen Schuss abgäbe?«
»Dann würdest du sterben«, antwortete die Mutter mit einem bezaubernden Lächeln. »Was freilich nicht in meinem Interesse läge. Aber du sollst ja auch nicht ausziehen und Verdammte suchen! Was für eine absurde Vorstellung! Der Turm würde niemals eine unausgebildete Magierin und einen gewöhnlichen Gijan ausschicken, um diese Feinde zu jagen, die wir selbst in fünf Jahrhunderten nicht haben töten können! Denn Armbrust hin oder her – du brauchst auch eine gute Portion Glück dazu. Das hattest du, als du Typhus gegenüberstandest. Aber wenn du die Verdammten offen herausfordern würdest, dann würde dich sogar Scharlach in Staub verwandeln. Deshalb ist mein Vorschlag wesentlich unspektakulärer: Ihr sollt eine Reise unternehmen.«
»Wohin?«
»Ins Regenbogental. Doch bevor wir die Details abstimmen, würde ich gern wissen, welche der beiden Varianten ihr wählt.«
»Als ob wir eine Wahl hätten!«, knurrte ich.
»Oh, ich hege nicht die geringsten Zweifel, wie ihr euch entscheidet«, fuhr Ceyra fort, um sich dann wieder Lahen zuzuwenden. »Leider bin ich nicht imstande, mich deiner anzunehmen. Obendrein – warum das verhehlen? – ist die Theorie der in den Funken eingewobenen Zauber nicht gerade mein Steckenpferd. Um sie zu entschlüsseln, ist eine besondere Gabe vonnöten. Über ebendiese verfügt Alia Maxi, die Leiterin der höheren Klassen im Regenbogental. Deshalb wirst du dich an sie wenden. Aber du darfst gegenüber den anderen Schreitenden kein Wort darüber verlieren. Sie glauben nämlich, du sollst auf meinen Wunsch hin lernen, deine Gabe zu kontrollieren und dich mit der Entzifferung alter Manuskripte befassen. Ich habe mir erlaubt, dem Rat zu sagen, du verstündest etwas davon. Alia ist eine alte Freundin von mir. Sie wird versuchen – und zwar mit deiner Hilfe –, das Geflecht jenes Zaubers zu entwirren, den Ghinorha in deinen Funken eingewoben hat. Er wird mir dann helfen, mit den Verdammten fertig zu werden.«
»Und was, wenn ihr das nicht gelingt?«, wollte ich wissen.
»Dann bleibt ihr trotzdem am Leben.«
»Ginge das vielleicht … ein wenig genauer, Herrin?«, hakte ich nach.
»Ihr bleibt so lang im Regenbogental, bis ich euch zurück in den Turm beordere. Hier würdet ihr unter Hausarrest gestellt werden. Bis dieser Zauber entschlüsselt ist. Bis ich mir Lahens Wissen angeeignet habe. Wenn ich könnte, würde ich es auf der Stelle aus ihr herausziehen. Aber leider steht mir das nicht zu Gebote. Deshalb muss sie mir vermitteln, was Ghinorha ihr beigebracht hat, wenn sie wieder hier im Turm ist. Dafür ist viel Zeit nötig – aber wir haben es ja nicht eilig, oder?«, schloss sie mit einem Lächeln.
»Nur dürfte das nicht so einfach werden, wie Ihr meint, Herrin«, erwiderte Lahen. »Sich den dunklen Funken anzueignen, wenn man zeit seines Lebens den lichten angewandt hat, ist recht … schwierig.«
»Trotzdem werde ich es versuchen.«
»Wollt Ihr den Turm auf einen neuen, auf einen grauen Weg geleiten?«
»Als ob die Mehrheit der Schreitenden je den dunklen Funken annehmen würde!«, erwiderte Ceyra mit schallendem Gelächter. »Wer auch immer dem Turm einen solchen Vorschlag unterbreiten würde, wäre des Todes. Nein, ich will dieses Wissen für mich. Und zwar ausschließlich für mich. Selbst wenn du dein Inneres nach außen kehren müsstest, du wirst mir alle Aspekte deiner Kunst beibringen. Wenn das geschehen ist – werde ich über euer weiteres Schicksal nachdenken. Du willst etwas sagen, Lahen? Nur zu!«
»Ihr habt vermutlich vergessen, Herrin, dass ich mit meinem Funken nicht in Verbindung treten kann.«
»Das habe ich nicht!«, polterte die Mutter. »Aber alles zu seiner Zeit. Hast du noch weitere Fragen?«
Lahen warf Ceyra Asani einen abschätzenden Blick zu, ehe sie fortfuhr: »Wie steht der Rat dazu, dass Ihr ihm einige … Einzelheiten zu meiner Person verschweigt? Wie habt Ihr Euch mit ihm darauf verständigen können, uns lebend aus dem Turm ziehen zu lassen?«
»Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Befolge nur meine Anweisung, mehr wird
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