Blitz in Gefahr
Landsleuten gefallen wird? Oder sollte man den Namen ändern? Wirkt er gruselig?«
»Aber ganz und gar nicht!« erwiderte Alec lachend und überzeugt. Er fühlte sich plötzlich viel wohler in dieser Umgebung. »Wir Amerikaner haben viel für Geister übrig.«
»Um so besser, dann brauche ich den Namen nicht zu ändern. Doch um auf die Entstehung dieser Musik zurückzukommen, ich sagte damals meinem Freund André, daß ich eine Originalkomposition haben müßte, eine Musik, die sich von der ersten bis zur letzten Note von anderen gängigen Melodien unterscheidet, um die rechte Stimmung für mein einmaliges >Geisterroß< zu schaffen. Ich erinnere mich, wie ich in seinem Musikzimmer auf und ab schritt und versuchte, ihm die Figuren zu beschreiben, um ihm zu erklären, was mir vorschwebte. Ich summte ihm die Melodie vor, er brachte sie zu Papier und instrumentierte sie. Und wie stets, wenn ich um Konzentration ringe, rieb ich die kleine goldene Statuette zwischen meinen Fingern, die mein Talisman ist und die ich seit meiner Kindheit immer in der Tasche trage.« Er schwieg einen Augenblick und brachte dann ein fingerlanges Figürchen aus der Hosentasche zum Vorschein. In leisem, vertraulichem Ton erklärte er »Das ist sie... Sie gehört ganz und gar zu mir... Ohne sie könnte ich nicht existieren, wäre ich verloren...«
Alec starrte verdutzt auf das groteske Ding in de Villas großen Händen. Es war gelb und mochte aus purem Gold bestehen; aber es war nicht der Wert der Figur, der ihn sprachlos machte, sondern ihre abstoßende Häßlichkeit. Ein unproportioniert großer Kopf mit kleinen grünen Edelsteinaugen und langen, spitzen Ohren saß auf einem dünnen Körper, der wie in Todesqualen krampfhaft verdreht war. Obendrein wirkte das kleine Scheusal ausgesprochen tückisch und bösartig...
Alec biß die Zähne zusammen, um nicht vor Widerwillen zurückzuschrecken. De Villa hielt das Figürchen zärtlich und liebevoll in den dunklen Händen. Dann schlossen sich seine Finger um den abscheulichen Talisman, und er fuhr in vertraulichem Ton fort: »Sie müssen verstehen, Alec, daß André ein Mensch war, für den die Musik die Hauptsache im Leben bedeutete. An und für sich hatte er für Musikdilettanten, wie ich einer bin, nichts übrig. Trotzdem hörte er sich, anfangs geduldig aus freundschaftlichem Empfinden, doch dann mit steigendem Interesse, mein Summen an und sagte endlich: >Robert, du bist der sonderbarste Mensch, der mir je vorgekommen ist.< Ich mußte die Melodie weitersummen, während er die Noten aufschrieb. Ich hätte nicht zu sagen gewußt, wer mir die Töne eingab, sie kamen aus meinem Unterbewußtsein... Oder mein Talisman gab sie mir ein... Ich erinnere mich, daß ich mich in einer Art Trancezustand befand. Mir war sehr wohl dabei, und ich spürte, daß dieses Musikstück genau die Wirkung haben würde, die ich erstrebte. Und André wußte es auch. Er ließ mich die Melodie wieder und wieder summen; es fiel mir nicht schwer, mir war, als hätte ich diese Tonfolge mein Leben lang gekannt.«
Alec hörte gespannt zu. Ihm war bewußt, daß er einem außergewöhnlichen Mann gegenübersaß und etwas Einmaliges erlebte. Sein Blick traf sich mit dem des Hauptmanns, der versonnen fortfuhr: »Ich weiß inzwischen, daß es sich so verhält, Alec. Diese Melodie lebt tief in mir. Sie ist eine Erinnerung an meine Eltern und Großeltern, die sie gesungen haben, als ich noch ein Kind war. Ihr Ursprung ist weit mehr karibisch als indianisch, haitianisch oder afrikanisch. Mein Leben lang habe ich der inneren Stimme gehorcht und war damit immer erfolgreich. Auch zu meiner wundervollen, hochtalentierten Stute bin ich auf diese Weise gekommen, und eine Eingebung hat mich veranlaßt, diesen einmaligen Dressurakt mit ihr zu vollbringen. Für mich besteht kein Zweifel an dem inneren Zusammenhang dieser Leistung mit der ururalten Melodie, die in meinem Blut weitergelebt hat und mir von meinen karibischen Vorfahren vererbt worden ist...«
Alec war nicht imstande, seine Augen von dem durchdringenden Blick des Hauptmanns zu lösen. Er nickte zustimmend; er mußte diesem geheimnisvollen Mann glauben, wenn er ihn sich nicht zum Feind machen wollte.
»André vollendete das Arrangement, schrieb mit großem Geschick alle Stimmen aus, und wir hatten eine einmalige Originalkomposition. Silberfee lernte schnell, wie die Hohe Schule nach den Zeichen vorzuführen war, die ihr diese grausam-schöne Musik gab.« De Villa schwieg. Alec
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