Blitz in Gefahr
beobachtete, daß sich seine um das Figürchen geschlossenen Finger öffneten, so daß das kleine goldene Scheusal wieder sichtbar wurde. De Villa versenkte sich in seinen Anblick und fragte flüsternd : »Glauben Sie auch an übernatürliche Mächte, Alec?«
Lieber Himmel! dachte Alec ziemlich ratlos und fühlte abermals ein Frösteln über seinen Rücken rieseln. Ist der Mann nicht ganz normal, oder will er mich foppen? Halb scherzend antwortete er: »Ich habe beim Rennen auch immer einen Talisman bei mir. Die meisten Jockeys sind ebenfalls abergläubisch — wenn Sie das meinen.«
»Nicht ganz. Ich gehe viel weiter. Glauben Sie an Winke und Zeichen des Schicksals?«
»Ich nehme an, daß jeder ab und zu ein mahnendes Vorgefühl hat, etwas ahnt, wenn eine Gefahr auf ihn zukommt; aber um Ihre Frage zu beantworten — nein, an Gesichte und Schicksalswinke glaube ich nicht!«
»Es liegt nicht in Ihrer Natur, an übernatürliche Dinge zu glauben«, sagte der Hauptmann milde. »Sie gehören einer jungen und sehr nüchternen Nation an. Ich dagegen mit dem Blut uralter, weiser Rassen in meinen Adern, ich neige dazu, auch an Dinge zu glauben, die nicht sichtbar sind, die über das Wahrnehmungsvermögen unserer fünf Sinne hinausgehen. Überdies habe ich mehr als einmal erfahren, daß ich gut tue, wenn ich mich nach ihnen richte. Ich glaube felsenfest an seine Kraft.« Er hob seinen Talisman in die Höhe von Alecs Gesicht. »Meine kleine Goldstatuette hat mir immer geholfen, sie darf niemals in unrechte Hände fallen.«
Alec mußte wieder den Impuls bekämpfen, sich von der erschreckenden Häßlichkeit des Figürchens abzuwenden. Der Hauptmann durfte seinen Abscheu um keinen Preis merken. Alec starrte in die grünen Augen, die sich unmittelbar vor den seinen befanden. Sie schienen ihm zuzublinzeln. Er wußte, daß ihm seine lebhafte Phantasie etwas vormachte, doch er hielt stand. Warum wollte de Villa eigentlich wissen, ob er sich fürchtete oder nicht? Was bezweckte er damit?
Erst nach einer Weile steckte der Hauptmann seinen Talisman wieder in die Tasche. »Er ist seit vielen Generationen in meiner Familie vom Vater auf den Sohn vererbt worden.« Der Hauptmann sprach jetzt in etwas sachlicherem Ton weiter. »Einige meiner Vorfahren glaubten — wie übrigens auch der alte Omar — , daß die Statuette einst in einem Indianergrab gefunden worden ist, und zwar nicht weit von hier auf einem anderen Hammock.«
Alec schloß für ein paar Sekunden die Augen. Wieder hat sich ein weiteres Teilchen in das Puzzlespiel gefügt, dachte er. De Villa ist an den Ort gereist, an dem sein kleiner Götze oder Dämon — oder was es auch ist — gefunden worden sein soll. Alec war es leid, die Fortsetzung der Gruselgeschichte zu hören; er wünschte nur, er hätte sich auf dieses Abenteuer in den Everglades, dessen Ausgang er nicht kannte, niemals eingelassen.
»Ich habe Sie gern, Alec«, sagte der Hauptmann sanft. »Sie sind ein sehr phantasievoller Mensch und stehen diesen Dingen näher, als Sie selbst wissen, sonst wären Sie nämlich heute nicht hierhergekommen. Sie stehen fest auf dem Boden der Wirklichkeit, aber oft fühlen Sie auch den Zusammenhang mit der übersinnlichen Welt. Habe ich recht?«
»Nicht mehr als andere normale Menschen«, antwortete Alec fest. »Jeder gibt sich hin und wieder einem Luftschloß oder Traumbild hin. In die Everglades bin ich heute aus dem einfachen Grund geritten, weil ich neugierig war, sie kennenzulernen, nachdem ich so viel davon gehört hatte.«
»Selbstverständlich«, stimmte der Hauptmann zu. »Sie sind jung, infolgedessen phantasievoll und wißbegierig. Leider verlieren die meisten Menschen diese beiden Eigenschaften, weil sie sich mit dem Älterwerden mehr und mehr den nützlichen Dingen zuwenden. Es gibt nur wenige, die sich das Wissen von den übernatürlichen Mächten bewahren.«
Alec beobachtete den Gesichtsausdruck seines Gegenübers; er wußte nicht, wie weit er gehen durfte. Am liebsten hätte er sich an die Stirn getippt, aber er bemerkte nur vorsichtig: »Sie wollen mich foppen, Hauptmann! Auch phantasievolle junge Menschen versteigen sich nicht dazu, an übernatürliche Mächte zu glauben.«
Das maskenähnliche Gesicht vor ihm verschloß sich noch mehr, die dunklen Augen glühten. Alec erkannte zu spät, daß er besser daran getan hätte, den Mund zu halten. Er zweifelte nicht mehr, daß er es mit einem Menschen zu tun hatte, der geistig nicht voll zurechnungsfähig
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