Blitz kehrt heim
nicht hören, er vertraute stolz auf sein Schwert, seine Krieger, seine Pferde. Er ritt davon, nahm seine tapfersten und mutigsten Männer mit zum Schutz für ihn, seine Gattin und den Säugling und ließ nur den damals zweijährigen ältesten Sohn unter der Obhut zuverlässiger Betreuer zurück.“
Tabari schwieg so lange, daß Alec schon glaubte, die Geschichte wäre damit zu Ende. Er wollte gerade etwas äußern, als sie, ohne ihn anzusehen, weitersprach.
„Sie kamen nicht wieder heim. Die Leichen des Scheichs, seiner Frau und seiner Leute wurden, von der Sonne ausgedörrt, in der Wüste gefunden; das Baby war verschwunden.“ Die folgenden Worte brachte das junge Mädchen nur stockend hervor: „Im Herzen Abd al Rahmans steckte... der Dolch meines Vaters. Man brachte ihn Abd al Rahman, dem Sohn, der damals ja noch klein war... Aus diesem Grunde haßt er meinen Vater mit jeder Faser seines Herzens. Es wurde schlimmer, je mehr er heranwuchs, und oft mußte es einer unsres Stammes mit seinem Leben büßen... Mein Vater hat vergeblich versucht, ihm zu erklären, daß ihm nichts ferner gelegen habe, als seinen besten Freund zu töten, und daß er die ganze Zeit über unser Tal gar nicht verlassen habe; aber er schenkte diesen Versicherungen keinen Glauben.“ Tabari hob ihre Mandelaugen voller Traurigkeit, als sie fortfuhr: „Die Blutfehde zwischen unseren Familien wird weitergehen, bis eines Tages keiner von uns mehr lebt.“
Alec wußte nichts zu erwidern. Sein Blick ruhte auf dem schönen, im Mondlicht schlafenden Tal, das die hohen Berge ringsum schützend umrahmten. Was er eben erfahren hatte, war die Erklärung dafür, weshalb die Männer Abd al Rahmans mit so großer Vorsicht geritten waren, als sie sich dem Gebiet Abu ben Isaaks näherten, weshalb sie die Gewehre schußbereit gehalten hatten. Nach einer Weile fragte er: „Dann wird Ihr Vater das nächste Rennen wohl gar nicht beschicken, wenn er mit Abd al Rahman in Fehde liegt?“
„O doch! Erst recht!“ entgegnete Tabari gepreßt. „Denn für uns Beduinen ist die Schnelligkeit unserer Pferde von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg bei Kriegszügen gegen unsere Feinde. Das Rennen gewinnen bedeutet ja, Pferde gewinnen, was wiederum eine Stärkung der Kampfkraft des Stammes bedeutet. Im Laufe der Jahre ist meine Familie stark und mächtig geworden, weil sie die Rennen und damit die vielen Pferde als Siegespreis von den anderen Stämmen gewann. Inzwischen ist Abd al Rahman mächtig geworden, weil ihm in den letzten drei Rennen der Sieg zugefallen ist, so daß er viele der besten Pferde meines Vaters und der anderen Stämme bekam. Falls er in diesem Jahr wieder gewinnt, wird sein Stamm mächtiger werden als jemals zuvor... Das möchte mein Vater verständlicherweise verhindern. Jetzt kannst du sicher verstehen, warum so viel davon abhängt, daß Scheitan gewinnt. Als er gestohlen worden war, verdächtigte mein Vater Abd al Rahman, und er zog mit seinen tapfersten Kriegern gegen ihn aus, um Rache zu nehmen und Scheitan zurückzuholen. Viel Blut würde geflossen sein, hätte mein Vater nicht, bevor er das Gebiet Abd al Rahmans erreichte, die Nachricht bekommen, daß ein Beduine ein Pferd, auf das Scheitans Beschreibung paßte, durch die Wüste in westlicher Richtung entführt hätte. Mein Vater verfolgte seine Spur bis zu einem Hafen am Roten Meer, aber als er mit seinen Reitern dort ankam, erfuhr er, daß man Scheitan — zu dieser Zeit wußte er bereits genau, daß es sich unzweifelhaft um ihn handelte — auf den Frachter ,Drake‘ verladen hatte, so daß er zunächst nichts unternehmen konnte. Dann kam die Nachricht, daß die ,Drake‘ vor der spanischen Küste untergegangen war. Mein Vater kehrte zurück, tiefe Trauer im Herzen, denn er wußte nur zu gut, daß seine Chance, diesmal Abd al Rahmans kastanienfarbenen Hengst Sagr zu schlagen, mit dem Tode Scheitans verspielt war.“ Sie atmete tief auf. „Monate später hörte mein Vater durch meinen Bruder in England von dir und deinem schwarzen Hengst. Den Rest der Geschichte kennst du.“
„Wann wird denn das Rennen stattfinden?“ fragte Alec.
„In drei Wochen“, erwiderte Tabari, „am ersten Tag nach Neumond.“
Gedankenversunken standen sie eine Weile beieinander.
Endlich sagte sie freundlich: „Ich habe lange erzählt, und es ist spät darüber geworden.“
Sie gingen langsam ins Haus zurück, doch ehe er sich schlafen legte, suchte Alec seine Freunde auf und berichtete ihnen,
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