Blitz kehrt heim
Rahman kehrte leider ohne ihn zurück. Seine Männer suchten zwar noch immer nach ihm, als ich fortritt. Wenn sie ihn aber inzwischen nicht gefunden haben, werden sie die Suche unterbrechen, um unser Rennen nicht zu versäumen. Sobald es vorüber ist, werden wir dann Ibn gemeinsam verfolgen. Und — bei Allah! — wir werden ihn finden!“
„Und was ist aus seinen Anhängern geworden?“ wollte Alec wissen.
„Sie leben nicht mehr“, erwiderte der Scheich kurz, wandte sich um und ging in sein Haus.
Eine Stunde später wurde Alec in Abus Zimmer gerufen. Der Scheich saß in einem Sessel am Fenster. „Komm her, mein Sohn“, sagte er freundlich. „Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.“ Er wies auf einen ihm gegenüberstehenden Stuhl. Alec setzte sich und wartete. Gedankenverloren blickte Abu zum Fenster hinaus und sprach dann leise, ohne Alec anzusehen: „Ich wollte dich fragen, ob du Scheitan in dem übermorgen stattfindenden Rennen reiten willst.“ Das Blut schoß Alec ins Gesicht. Er sprang von seinem Stuhl auf und rief: „Ob ich will, Sir? Es wird die größte Freude meines Lebens sein! Ich habe so sehr darauf gehofft!“ Seine Stimme kippte über vor Aufregung.
Der Scheich sah ihn lächelnd an, dann wurde sein Gesicht wieder ernst. „Du mußt dir darüber klar sein, daß es kein leichtes Rennen sein wird, Alec! Die besten Pferde Arabiens mit den besten Reitern auf ihrem Rücken werden einander gegenübertreten!“
Alec nickte und setzte sich wieder hin. „Wer wird denn Sagr reiten?“ fragte er gespannt.
„Abd al Rahman selbstverständlich, denn kein anderer Mensch hat ihn jemals geritten.“ Er machte eine Pause und setzte dann hinzu: „Scheitan muß sein Bestes hergeben, dessen bin ich gewiß, weil ich die Schnelligkeit und die Ausdauer Sagrs kennen.“
„Über welche Distanz führt das Rennen?“ erkundigte sich Alec. Sein Gesicht sah in diesem Augenblick nicht mehr jungenhaft aus, sondern er wirkte ernsthaft wie ein Erwachsener, dem bewußt ist, daß Großes auf dem Spiele steht. Er hatte vollkommenes Vertrauen zu Blitz; in einem solchen Rennen konnte jedoch viel Nichtvorherzusehendes eintreten.
„Die Strecke ist sechstausend Meter lang“, sagte Abu.
„Und wie ist das Terrain beschaffen?“ wollte Alec wissen.
„Es ist unterschiedlich“, erklärte der Scheich, „von grasbewachsenem Feld zu Wüstensand, vom Gebirgs-pfad zu buschbestandener Ebene. Der Kurs wurde seinerzeit von unserem Volk ausgesucht, um den Mut und das Herz unserer Pferde zu erproben, nicht nur ihre Schnelligkeit und Ausdauer.“
Alec schwieg eine Weile, nachdem Abu gesprochen hatte, dann sagte er voller Zuversicht: „Blitz — ich wollte sagen Scheitan — hat das Herz!“
Abu nickte zustimmend. „Ja, er besitzt es, Alec, es ist ihm von seinen Vorfahren mitgegeben worden, und ich glaube nicht, daß er uns enttäuschen wird.“ Damit erhob er sich und trat ans Fenster. „Alle Stämme im Gebirge fiebern dem Rennen entgegen. Meine Leute glauben alle an Scheitan und gehen Wetten auf ihn ein gegen die Männer anderer Stämme. Heute abend werden sie den Sieg über Ibns Bande feiern und auf den Sieg Scheitans trinken. Wir dürfen sie nicht enttäuschen, wie sie in den Rennen vor fünf und zehn Jahren enttäuscht worden sind. Morgen früh werden wir aufbrechen und gegen Abend auf der Ebene von Andulla ankommen, wo das Rennen stattfindet. Deine Freunde sollen uns begleiten. Sie werden ebenfalls gespannt sein, das Rennen zu sehen. Geh und erzähle ihnen, was ich dir gesagt habe, damit sie sich bereithalten!“ An diesem Abend konnte Alec vor erregter Erwartung wieder einmal nicht einschlafen. Er lag im Bett und hörte die Stimmen der feiernden Beduinen herüberklingen, ihren Gesang und ihr Gelächter. Er hielt sich vor Augen, wieviel für sie und für Scheich Abu dieses Rennen bedeutete. Ein Lächeln zog über sein Gesicht. Er dachte an Henrys Worte, als er ihm mitteilte, daß er Blitz tatsächlich im Rennen reiten durfte: „Ich gratuliere dir, Alec! Du bist ein Glückspilz!“ Jedoch Volence hatte Henrys Enthusiasmus nicht geteilt. „Ich weiß, daß du es dir sehnlichst gewünscht hast, Alec“, sagte er ernst, „aber ich wäre ruhiger, wenn du nicht reiten würdest! Blitz zu lenken ist schon allein eine schwere Aufgabe, und dann ist obendrein nie vorauszusagen, wie er sich in einem Rennen, wie dieses es ist, benehmen wird. Ein zweiter Faktor, der in Rechnung gestellt werden muß, ist das Terrain: Die
Weitere Kostenlose Bücher