Blitz und Vulkan
Box und holte eine lange Stange, mit der er Blitz so an die Wand preßte, daß er nicht mehr ausweichen konnte. Er drängte mit aller Wucht gegen die Stange, aber sie hielt; jetzt war er gefangen. Er versuchte wieder, den Kopf aufzuwerfen, aber vorn hielt ihn der Riemen eisern fest. Alec streichelte ihn unentwegt und redete liebevoll und tröstend auf ihn ein. Plötzlich riß Blitz so scharf an dem Riemen, daß dieser beinahe gerissen wäre — der Tierarzt hatte die Nadel eingestochen. Ein paar Sekunden später war alles vorbei. Der Veterinär verließ die Box mit der Blutprobe; die Assistenten entfernten die Barre und verschwanden ebenfalls.
Alec erlöste Blitz von dem Riemen, der seinen Kopf festgehalten hatte. Der Hengst stampfte unruhig hin und her und sah den Männern nach, die durch den Stallgang gingen. Erst als sie außer Sicht waren, drehte er sich wieder zu Alec und zu seiner Futterkrippe um. Alec blieb bei ihm stehen, während er fraß.
Draußen unterhielten sich Henry und Herr Ramsay mit Tony. Alec konnte im Stall verstehen, was sie sagten.
„Der Doktor war einverstanden, Nappy als Testpferd für Blitz und Vulkan zu benutzen, nachdem ich ihm erzählt hatte, wie sich alles verhält“, berichtete Tony. „Deshalb bin ich schnell nach Hause gefahren und habe ihn hergeholt. So ist es richtig! Nappy soll Blitz und Vulkan helfen. Du verstehst doch, was ich meine, nicht wahr, Henry?“
„Ich glaube schon“, antwortete Henry. „Ich nehme an, daß der Doktor jetzt das Blut der anderen Pferde dem Testpferd einspritzen will, das er beschafft hat. Verhält es sich so, Tony?“
„Jawohl, so will er es machen“, bestätigte Tony aufgeregt. „Das ist übrigens bereits geschehen, ehe ihr kamt. Das Pferd befindet sich auf der Weide hinter dem Stallgebäude. Sie haben es von Nappy getrennt. Wenn wirklich eins von ihnen krank werden sollte, kann es das andere nicht anstecken, sagte der Doktor.“ Tony packte in seiner Erregung Henry und Herrn Ramsay am Arm: „Und jetzt spritzen sie gleich meinem Nappy das Blut von Blitz und Vulkan ein. Kommt mit und seht zu! Es ist ein großer Augenblick für Nappy. Von jetzt an ist er der Blutsbruder von Blitz und Vulkan — das ist ein Augenblick, den ich nie vergessen werde!“
Alec verließ Blitz und ging zu Vulkan hinüber, der seinen langen Hals reckte, damit Alec ihn streicheln konnte. Er tat es mit großer Zärtlichkeit, aber seine Augen ruhten auf dem Rücken des kleinen Straßenhändlers draußen neben seinem Vater und Henry, als er vor sich hinsagte: „Das ist sicher, Tony. Auch ich werde diesen Augenblick nie vergessen... Ich hoffe bloß, daß alles gut ausgeht, für dich und Napoleon genauso wie für Blitz und Vulkan... und für uns alle.“
Von jetzt an vergrub sich Alec in seine eigene, sorgenbeschwerte Welt. Er hielt sich von allen fern, sprach selbst mit seinem Vater und Henry kaum und wartete nur immer angstvoll, ob die gefürchteten Anzeichen des Sumpffiebers an einem der Pferde auftreten würden.
Nachdem die erste Woche vorübergegangen war, ohne daß sich im Wohlbefinden der Rennpferde etwas geändert hatte, sagte Henry: „Siehst du wohl, Alec, es ist, wie ich es erwartet habe. Jetzt ist es lange genug her, seit wir in der Nähe El Dorados waren. Wenn sie sich angesteckt hätten, müßten die Symptome sich zeigen. Für mich ist die Gesundheit unserer Pferde jetzt schon erwiesen.“
Alec teilte jedoch Henrys optimistische Auffassung nicht. Er wollte sich keinen falschen Hoffnungen hingeben. Es war noch zu früh, um sichere Schlüsse zu ziehen. Sechs Wochen müsse man warten, hatte der Arzt gesagt. Sechs Wochen! Bis jetzt war erst eine kurze Woche vergangen. Also war es noch viel zu früh, um etwas zu sagen. Viel zu früh, um Henrys Optimismus zu teilen. Alec zog sich wieder in sein Schneckenhaus zurück, und jeder einzelne Tag kam ihm endlos vor.
Herr Ramsay blieb bei ihnen, Tony auch. Er fuhr jedoch ab und zu nach Flushing, um sich zu vergewissern, daß seine Kunden nicht vernachlässigt wurden. „Der Mann, der meine Tour übernommen hat, ist ein guter Freund“, erzählte er ihnen. „Aber von Zeit zu Zeit muß er mal angefeuert werden, darum fahre ich hin! Nein, Nappys wegen bin ich nicht ängstlich, daß er dieses Sumpffieber bekommen könnte; er hat nur gutes Blut von Blitz und Vulkan bekommen, und er ist hier sehr glücklich, nicht wahr? Er hat sein Leben lang schwer gearbeitet. Jetzt hat er’s endlich einmal leicht, und das ist ihm
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