Blitz und Vulkan
eine richtige Falle, wenn die Wälder in Brand gerieten.“
„Lade dir doch nicht unnötig noch eine neue Sorge auf“, erwiderte Henry vorwurfsvoll. „Es vergeht kein Jahr, ohne daß die Blätter um diese Jahreszeit über Waldbrände berichten. Wenn wirklich ein Waldbrand ausbricht, so wissen die Farmer und der Forstschutz damit fertig zu werden.“
Allmählich ging es jetzt in Mountainview und auf der Staatsfarm wieder lebhafter zu, denn jetzt, da die Testperiode kurz vor ihrem glücklichen Ende stand, kehrten die Besitzer und Trainer einer nach dem anderen zurück. Alle sprachen von den Rennen, die für das kommende Jahr in Aussicht standen, und Henry nahm eifrig an ihren Unterhaltungen teil. Aber Alec hielt sich abseits. Er zählte die Tage, die noch überstanden werden mußten.
Doch dann kam der heißersehnte letzte Tag! Am späten Nachmittag versammelte der Staatsveterinär die Besitzer, Trainer und Reporter auf der Veranda vor seinem Haus, um die Gesundheitsatteste auszuhändigen. Er begann seine Ansprache mit Dankesworten für die Anwesenden, weil sie soviel Geduld und Gemeinschaftsgeist bewiesen hatten. Nur Alec hörte ihm nicht zu; aufgeregt flüsterte er Henry ins Ohr: „Jetzt ist es überstanden! Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet. Blitz und Vulkan sind gesund, Henry! Endlich können wir sie auf die Farm bringen. Laß uns gleich versuchen, ein paar gute Stuten zu kaufen, damit Blitz sie noch in diesem Winter belegen kann. Meinst du nicht, es wäre eine gute Idee, unverzüglich anzufangen?“
Henry sah ihn an und lachte. „Natürlich“, flüsterte er zurück. „Warum sollten wir warten? Allerdings müssen wir erst die richtigen Stuten finden.“
Der Veterinär rief jetzt Alecs Namen auf, und er ging hin, um die beiden Atteste in Empfang zu nehmen.
Kurz darauf entfernten sich die Männer, nachdem der Veterinär ihnen noch vorgeschlagen hatte, die Pferde gleich am nächsten Morgen abzutransportieren.
Sie gingen alle in den Stall, wo die Fotoreporter Aufnahmen machten. Napoleon war in die Blitz gegenüber befindliche Box gebracht worden, und Tony stand bei ihm. Alec winkte ihm schon von weitem mit den Attesten zu und rannte hin.
„Jetzt ist er ein Teil von Blitz und Vulkan“, sagte Tony mit stolzem Lächeln, als Napoleon den Jungen mit seinem dicken Kopf herausfordernd stupfte. „Siehst du, Alec, er weiß das! Doch jetzt muß er zurück an die Arbeit, das wird ihm gar nicht schmecken.“
„Tony“, sagte Alec, „ich möchte dich was fragen.“ Der Straßenhändler hörte auf, Napoleon zu streicheln. „Was denn, Alec?“
„Du hast gesagt, Napoleon habe all sein Leben lang schwer gearbeitet, nicht wahr?“
„Ganz gewiß, das stimmt! Ich bekam ihn, als er drei Jahre alt war; jetzt ist er siebzehn! Also hat er insgesamt“ — Tony zählte es an seinen Fingern ab — „vierzehn Jahre für mich gearbeitet.“
„Würdest du ihn da nicht gern zur Ruhe setzen?“ Tony starrte Alec an. Anfangs wußte er nicht, worauf der Junge hinauswollte, aber allmählich fingen die kleinen Lichtpünktchen in seinen schwarzen Augen zu tanzen an. „Du meinst, Alec..., du willst...“
„Ich würde ihn gern auf die Farm mitnehmen, Tony. Aber er bleibt selbstverständlich dein Pferd. Dort würde er es bequem und schön haben für den Rest seines Lebens. Überdies wäre er eine große Hilfe für uns, weil er mit Blitz und Vulkan so gut auskommt. Was meinst du dazu?“
„Ich würde ihn natürlich sehr vermissen“, erwiderte Tony. „Aber wenn man ein Pferd so sehr liebt wie ich Nappy, dann muß man zuerst daran denken, was für das Pferd das Beste ist. Deshalb nehme ich dein Angebot gern an, Alec. Wie wundervoll für den alten Burschen, auf der Farm zu bleiben, sich auszuruhen und zu spielen, wenn er mag...“
„Aber du mußt mir versprechen, jedes Wochenende mit meinen Eltern zu uns herauszukommen. Das wirst du doch tun, wie?“
„Wenn du gedacht hast, mich davon abhalten zu können, euch und Nappy jede Woche einmal zu besuchen, dann hättest du dich geirrt! — Fahren wir jetzt gleich los?“
„Nein, erst morgen. Aber wir werden sehr früh aufbrechen, um vor Dunkelwerden auf der Farm einzutreffen. Gott sei Dank, Tony“, setzte er leise hinzu, „daß diese furchtbare Zeit jetzt hinter uns liegt.“
„Ja, alles ist vorbei. Jetzt können wir es vergessen!“
„So wollten wir’s halten — alles vergessen!“ wiederholte Alec und streichelte Napoleons Maul, während Blitz hinter ihm
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