Blitze des Bösen
Sonderkommission
zu schnell aufgelöst.«
Blakemoor rollte unwillig die Augen. »Glauben Sie nicht
alles, was in der Zentrale dahergeredet wird.«
»Na schön«, erwiderte Anne, »andererseits hätte ich meinen
Job verfehlt, wenn ich mich nicht danach erkundigen würde,
wenn ich so etwas höre. Wie steht’s mit den Einzelheiten?
Handelt es sich um einen Nachahmungstäter?«
Der Kommissar zögerte. Anne konnte fast sehen, wie er sich
das Bild vom Tatort in Erinnerung rief. Dann zuckte er die
Achseln. »Wenn es eine Kopie sein soll, dann ist es die
schlimmste, die ich je gesehen habe. Und Nachahmungstäter
schlagen gewöhnlich viel schneller zu. Richard Kraven war
zwei Jahre lang aus dem Verkehr gezogen. Sogar zu den Zeiten, als er noch mordete, hat es keine Nachahmer gegeben.«
»Sind Sie sicher?« Anne sah den Kommissar mißtrauisch an.
»Ja, bin ich«, erklärte ihr Blakemoor. »Es gibt immer noch
Dinge über Kravens Morde, die niemandem bekannt sind. Sie
eingeschlossen.« Er wurde still, als die Kellnerin kam und
ihnen zwei Tassen Kaffee hinstellte. »Die große Sauerei ist,
daß es gewisse Ähnlichkeiten zwischen diesem und Kravens
Morden gibt.«
Annes journalistischer Instinkt wurde hellwach. »Und
welche?« hakte sie nach und versuchte, den Eifer in ihrer
Stimme zu verbergen.
Wieder war dem Gesicht von Blakemoor intensivste Konzentration anzusehen, dann begann er langsam einige Punkte
aufzuzählen. »Erstens gab es keinerlei Anzeichen für einen
Kampf. Erinnern Sie sich daran, wie Kravens Opfer verschwanden? So, als wären sie freiwillig mit ihm mitgegangen.
Bei dieser Davis war es dasselbe. Schön, sie war eine Hure, die
dachte, daß sie einen Freier aufgelesen hat. Zweitens war ihre
Brust geöffnet und ihre Organe herausgerissen.«
Annes Kiefer klappte herunter. Beim Gedanken daran, wozu
Menschen fähig waren, wenn es darum ging, jemand anderem
etwas anzutun, wurde ihr immer wieder schlecht. »Genau wie
bei Richard Kraven.«
»Verglichen mit Kraven, ist dieser Kerl aber ein Amateur«,
fuhr Blakemoor fort. »Zuerst hat er sie nämlich durch Genickdrehung gelähmt.«
Anne runzelte die Stirn. »Das hat Kraven nie getan. Er hat
nie jemanden getötet, bevor er ihn seziert hat. Ist doch wahr,
oder?«
»Soweit wir wissen, ja«, stimmte Blakemoor ihr zu. Er sah
sich flüchtig um, um sich zu vergewissern, daß niemand
zuhörte, dann lehnte er sich nach vorn. »Tatsache ist«, sagte er
mit gedämpfter Stimme, »daß man aus der Blutmenge, die sie
verloren hat, auch darauf schließen könnte, daß er sie schon vor ihrem Tod aufgeschlitzt hat.«
Anne schaute den Polizisten unverwandt an. »Worauf wollen
Sie also hinaus? Ist es eine Kopie oder nicht?«
Blakemoor strich mit einem Finger über den Rand der Kaffeetasse. Es war ihm klar, daß er überhaupt nicht mit jemandem von der Presse sprechen sollte, zumindest nicht in diesem
frühen Stadium der Ermittlungen. Andererseits war er sicher,
daß Anne nichts drucken würde, was ihn in Schwierigkeiten
bringen könnte. Während all der Jahre, in denen er hinter
Richard Kraven hergewesen war, hatte er in ihr stets eine
seriöse Gesprächspartnerin gehabt. Und außerdem mochte er
sie ganz einfach. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Hätte er nicht die
Brust aufgeschnitten und ihre Organe in der ganzen Küche
verteilt, würde ich sagen, daß der Täter jemand war, den Davis
kannte, und die Schnauze von ihr voll hatte. Schließlich gab es
keine Kampfspuren, keinen Hinweis auf gewaltsames
Eindringen. Aber ein Bekannter hätte sie einfach nur
umgebracht und wäre anschließend verschwunden.«
»Kommt kein Freier in Frage?« wollte Anne wissen.
Blakemoor schüttelte den Kopf. »Kein Hinweis auf sexuelle
Handlungen, Perversionen oder ähnliches.« Er seufzte. »Und
das ist es, was mich beunruhigt. Wenn es nicht um Sex ging
und nicht darum, daß jemand eine Rechnung mit ihr begleichen
wollte – worum dann?«
Anne zögerte, denn was sie sagen wollte, galt unter ihren
Pressekollegen als Nestbeschmutzung. Andererseits mußte sie
Blakemoor so viel Vertrauen entgegenbringen, wie er das bei
ihr auch tat. »In der letzten Zeit sind viele Berichte über
Kraven erschienen«, begann sie vorsichtig. »Ich selbst stand
dabei ja an vorderster Front. Ich kann mir vorstellen, daß
dadurch sogar erst jemand angestachelt wurde.«
Blakemoors Blick traf den ihren. »Genau derselbe Gedanke
ist mir auch schon gekommen… Anne, ich habe bei der ganzen
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