Blitze des Bösen
Er wußte zwar, daß er
allein war, doch das Haus ängstigte ihn trotzdem. Als er aber
daran dachte, was er vorhatte, legte sich die Furcht.
Schnell lief er in den Keller und näherte sich mit klopfendem
Herzen der Werkbank.
Klopfte sein Herz aus Angst oder vor freudiger Erwartung?
Er kannte die Werkbank gut. Sie war ein Teil von ihm, denn
sie war schon immer da gewesen.
Heute wollte er sie für seine Zwecke verwenden.
Er steckte die Katze in einen Käfig und machte sich an die
Arbeit.
Alles, was er brauchte, war da, sorgfältig vorbereitet.
Der Lappen, der Äther.
Der Junge fühlte sich gut, er wußte, daß er gütig zu dem Tier
sein würde. Er tränkte den Lappen mit Äther, öffnete den Käfig
und griff hinein. Die Katze schlug wieder mit der Pfote nach
ihm. Diesmal durchdrangen die Krallen den Lederhandschuh
und gruben sich tief in die Haut des Jungen, doch er spürte
nichts.
War er etwa unempfindlich gegenüber Schmerzen jeglicher
Art?
Mit der einen Hand hielt er die Katze fest, mit der anderen
preßte er den ätherdurchtränkten Lappen auf ihren Kopf. Die
Katze wehrte sich zuerst, ließ aber bald nach. Dann wurde sie
schlaff, und der Junge wußte, daß es Zeit war anzufangen.
Er legte die Katze auf die Werkbank, spreizte ihre Beine
auseinander und band sie auf dem Boden fest, so wie das die
Liliputaner mit Gulliver gemacht hatten.
Dann begann er, Elektroden an die Katze anzuschließen, so
wie sein Vater sie immer an ihn anschloß.
Jetzt mußte er nur noch warten, bis die Katze wieder aufwachte.
Erst nachdem sie wieder aufgewacht wäre und alles, was er
mit ihr vorhatte, spüren konnte, wollte er auf den Knopf
drücken, um die Elektroden zu aktivieren…
21. Kapitel
Glens ganzer Körper verkrampfte sich in spasmischen
Zuckungen, und seine Augen waren weit aufgerissen.
Ein Herzinfarkt! Ein neuer Herzinfarkt! Er griff nach dem
Summer, um die Schwester zu alarmieren, doch als er den
Daumen darauf preßte, klärte sich auch wieder sein Verstand,
und er bemerkte seinen Irrtum. Es war kein Infarkt – er hatte
nur schlecht geträumt.
Aber wovon hatte er geträumt?
Eine Sekunde zuvor war es noch so intensiv gewesen.
Eine Katze…
Es hatte etwas mit einer Katze zu tun. Etwa mit Kumquat?
Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie die Katze ausgesehen hatte, doch die Details des Traums hatten sich bereits
verflüchtigt und verblaßten weiter, als er sie sich wieder ins
Gedächtnis zurückrufen wollte. Kurze Zeit später öffnete sich
die Zimmertür, und eine der Schwestern trat herein. Es war
Annette Brady, die Glen seit der ersten Minute, nachdem er
wieder klar hatte denken können, sympathisch gewesen war.
Aber heute morgen war nichts von ihrem ansonsten so fröhlichen Lächeln zu bemerken.
»Bitte?« erkundigte sie sich mit einer Schroffheit, die für sie
genauso untypisch war wie ihr finsterer Blick. Plötzlich begriff
er: Annette hatte Nachtschicht gehabt, mußte also schon lange
auf den Beinen sein. »Tut mir leid, daß ich geläutet habe«,
sagte er. »Ich hatte einen Alptraum, und beim Aufwachen
dachte ich, es wäre ein Herzinfarkt.«
Die Schwester warf einen Blick auf die Monitore über dem
Bett. »Nun, es sieht alles ganz normal aus.« Sie wollte wieder
aus dem Zimmer gehen.
»Ziemlich lang der Dienst heute, stimmt’s?« fragte Glen.
Annette drehte sich um. »Nicht länger als sonst auch.«
Glen runzelte die Stirn, dann blickte er auf die Uhr. Neunzehn Uhr dreißig?
Wie konnte es schon neunzehn Uhr dreißig sein? Er war
nicht aufgewacht, bis…
Nicht länger als sonst?
Sein Blick wanderte zum Fenster. Die Straßenbeleuchtung
war bereits angeschaltet und das letzte Tageslicht fast verschwunden. Hatte er etwa den ganzen Tag verschlafen?
Warum hatte man ihn nicht zum Abendessen geweckt? Er
befand sich ja schließlich in einem Krankenhaus – ein paar Mal
hatte man ihn sogar nur deshalb geweckt, um ihm eine
Schlaftablette zu geben! Er wollte sich schon nach dem Essen
erkundigen, als er bemerkte, daß er gar nicht hungrig war. Jetzt
war er völlig desorientiert. Hatte er den ganzen Tag einfach
vergessen? Aber vielleicht irrte er sich auch, vielleicht hatte
man ihn wirklich durchschlafen lassen. »Ich hab’ mir gerade
gedacht, ob ich nicht vielleicht etwas zu essen bekommen
könnte…«
Annette Brady sah ihn mit großen Augen an. »Nach all dem,
was Sie mittags gegessen haben, haben Sie schon wieder
Hunger?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Gut, ich will
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