Blitze des Bösen
Vorschlag«, unterbrach Anne. »Ich weiß
nicht, wie lange ich wegen dieser Geschichte weg bin. Wenn
du Daddy für mich besuchst, spendiere ich Kinokarten. Okay?«
»Für Justin auch?« feilschte Kevin.
»Von mir aus«, gab Anne nach. Sie griff in ihre Tasche, holte eine Zehn-Dollar-Note heraus und reichte sie ihrem Sohn.
»Ruf im Krankenhaus an, bevor du gehst, und erkundige dich,
ob Daddy was braucht.«
Nachdem seine Mutter gegangen war, betrachtete sich Kevin
den Schein. Ob er ihn vielleicht ganz behalten durfte, wenn
sein Vater nichts brauchte?
Als er das Zimmer 308 im Krankenhaus betrat, war der
größte Teil des Geldes bereits für Zeitschriften aufgebraucht,
um die ihn sein Vater gebeten hatte.
»Dann erzähl mal was über die tolle Story, mit der sich deine
Mutter beschäftigt«, forderte Glen seinen Sohn auf. »Ich
dachte, sie würde immer noch im Polizeiarchiv herumwühlen.«
Kevin ließ sich auf den Stuhl am Fußende des Bettes fallen
und betrachtete die Monitore an der Wand. »Es geht um einen
Mord«, berichtete er. »Hat irgendwas mit dem Kerl zu tun, den
man letzte Woche auf den elektrischen Stuhl gesetzt hat.«
Glen sah ihn verdutzt an. Wovon redete Kevin? Was konnte
ein neuer Mord mit jemandem zu tun haben, der bereits
hingerichtet war? »Mit Richard Kraven?« fragte er.
Kevin zuckte die Achseln. »Ich glaub’ schon. Mom hat
irgendwas über die Kraven-Sonderkommission gesagt, also
muß von dem Kerl die Rede gewesen sein.« Weil sein Vater
nichts darauf erwiderte, wechselte er das Thema. »Sag mal,
Daddy, wann kommst du eigentlich nach Hause?«
Glen überging die Frage, griff statt dessen nach der Fernbedienung neben seinem Bett, schaltete den Apparat ein,
zappte sich durch die Programme, bis er schließlich am Bild
eines häßlichen dreistöckigen Wohnhauses hängenblieb. Der
Gehweg davor war von der Polizei abgesperrt, und auf der
anderen Straßenseite hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Ein Reporter bemühte sich, die Übertragungszeit
damit auszufüllen, indem er viel redete und wenig aussagte.
»Bei dem Opfer handelt es sich um Shawnelle Davis, eine
arbeitslose Frau, die allein in einer Wohnung im zweiten Stock
gelebt hat. Ersten Meldungen zufolge, ist die Leiche auf
dieselbe Weise verstümmelt worden wie die Opfer Richard
Kravens und…«
Glen schaltete den Fernseher ab. »Was zum Teufel geht da
vor?« fragte er mit solch schneidender Stimme, daß Kevin von
seinem Stuhl aufsprang.
»Was meinst du?« fragte der Junge. »Ich hab doch nur
gefragt, ob…«
»Davon rede ich nicht!« schnitt ihm sein Vater das Wort ab.
»Der Mord! Was zum Teufel geht da vor?«
Kevins Blicke irrten im Raum umher, als hielte er nach
irgendeinem Fluchtweg Ausschau. Was war mit seinem Vater
los? Warum war er so wild geworden? Doch bevor er noch
etwas sagen konnte, ergriff sein Vater wieder das Wort und sah
ihn dabei so durchdringend an, wie er es nie zuvor bei ihm
erlebt hatte.
»Ich möchte, daß du etwas für mich erledigst, Kevin. Ich
will, daß du heimgehst und mir diese Akte bringst, die deine
Mutter angelegt hat. Du weißt doch, welche ich meine? Die, in
der alles über Kraven steht.«
Kevin wurde nervös. Er wußte zwar, wo die Akte war, aber
er wußte auch, daß der Schreibtisch seiner Mutter für ihn tabu
war. »Ich dachte, du machst dir nichts aus diesem Zeug«, sagte
er. »Du hast doch gesagt, du findest das alles…« Kevin
zögerte, versuchte sich zu erinnern, welches Wort sein Vater
gebraucht hatte, als sich seine Eltern vor der Hinrichtung über
den Fall unterhalten hatten. Bevor ihm das passende Wort
einfiel, warf ihm sein Vater einen verärgerten Blick zu.
»Vielleicht habe ich meine Ansicht geändert«, sagte er. Dann
lachte er leise, doch auch sein Lachen wirkte auf Kevin nicht
echt. »Dr. Farber sagt, ich sollte mir mindestens ein paar
Monate frei nehmen und mir ein Hobby zulegen. Wer weiß,
vielleicht mache ich mir die fixe Idee deiner Mutter zu meinem
neuen Hobby und beschäftige mich mit Richard Kraven.«
Wieder bohrten sich seine Blicke in Kevin. »Was hältst du
davon? Klingt doch interessant, oder?«
Kevin gab keine Antwort. Was ging hier vor? Sein Vater
hatte nie Hobbies gehabt, sich nie dafür interessiert! Und jetzt
fiel ihm das Wort wieder ein, das sein Vater immer verwandt
hatte, wenn die Rede auf Richard Kraven gekommen war.
Krankhaft.
Das war das Wort. Sein Vater hatte immer ‚krankhaft’
gesagt. Warum interessierte er sich
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