Blitze des Bösen
lief sofort
rot an. »Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat«, murmelte
er, offenbar verwirrt über seine Reaktion.
»Ich hatte es schon fast vergessen«, gab Anne zu, steckte den
Zettel in die Tasche und ließ sich dabei absichtlich soviel Zeit,
daß Mark wieder zu sich finden konnte. Während des
restlichen Zusammenseins waren beide übertrieben darauf
bedacht, ihre Hände so weit wie möglich voneinander entfernt
zu halten und der Unterhaltung keine persönliche Note zu
geben. Und obwohl es immer noch regnete, als sie eine Stunde
später das Restaurant verließen, schlug keiner von beiden vor,
sich ein Taxi zu teilen. Mark drehte sich um und eilte in die
eine, Anne genauso schnell in die andere Richtung. Ein kurzer
Flirt war eine Sache, sagte sie sich, während sie nach einem
Taxi Ausschau hielt – von jetzt an aber galt es, diese
Beziehung auf rein beruflicher Ebene zu halten. Wenn sie das
nächste Mal etwas über die Kraven-Akten wissen wollte,
würde sie sich an Lois Ackerly wenden.
Allerdings würde die ihr mit Sicherheit einen Korb geben…
Egal, dann würde sie eben alles selbst machen. Das letzte
jedenfalls, was sie jetzt brauchen konnte, war ein Polizist, der
in sie verschossen war.
Schmeichelhaft war es allerdings trotzdem…
27. Kapitel
Das erste, was Glen nach dem Aufwachen spürte, war die
Kälte. Es war aber nicht diese markerschütternde Kälte, die der
Nordwind mit sich brachte, wenn er Seattle im Winter mitunter
regelrecht einfror; es war eine klamme Kälte, die man dann
spürte, wenn man nachts zu lange die Decken von sich gestreift
hatte. Allerdings lag er weder im Bett, noch war es Nacht.
Als sich sein Verstand allmählich klärte, bemerkte er, daß er
nackt auf dem Badezimmerboden lag. Zuerst war er verwirrt,
dann erinnerte er sich nach und nach an das, was geschehen
war. Und mit der Erinnerung kam auch die Angst.
Er lag still da, versuchte einzuschätzen, wie er sich fühlte,
versuchte herauszubekommen, ob es ungefährlich war, sich zu
bewegen. Hatte er einen neuen Herzinfarkt gehabt? Er
versuchte, sich daran zu erinnern, wie er sich gefühlt hatte, als
er vor zwei Wochen im Krankenhaus aufgewacht war. Hatte
seine Brust geschmerzt? Er wußte es nicht mehr.
Das machte aber nichts, denn seine Brust tat jetzt ohnehin
nicht weh. Er konzentrierte sich auf seine Atmung und preßte
seine Hand auf das Herz. Sowohl seine Atmung wie auch sein
Herzschlag schienen normal zu sein.
Dann erinnerte er sich an sein Gefühl, nicht allem im Haus
gewesen zu sein. Das Gefühl war stärker geworden, als er die
Dusche verlassen hatte. Beim Rasieren hatte er gespürt, daß
etwas oder jemand mit ihm zusammen im Badezimmer war. Er
hatte sich umdrehen wollen, als…
War er etwa niedergeschlagen worden?
Er setzte sich auf und rieb sich Kopf und Nacken. Sein
Nacken war etwas steif, doch das konnte vom Liegen auf dem
Boden sein.
Wie lange hatte er hier gelegen?
Er klammerte sich am Waschbecken fest und zog sich hoch.
Im Becken lag sein Rasierapparat, dort, wo er ihn fallengelassen hatte. Er ging vom Badezimmer zu seinem Schlafzimmerschrank. Auf dem Weg dorthin fiel sein Blick auf den
Radiowecker neben seinem Bett.
Vierzehn Uhr? Sollte er fünf Stunden lang bewußtlos
gewesen sein? Er blickte auf den Wecker neben Annes Bett,
der zeigte dieselbe Zeit an.
Die Furcht, die gleich nachgelassen hatte, als er sicher war,
keinen Herzinfarkt gehabt zu haben, kam plötzlich wieder. Er
ging zum Schrank, fand seine Brieftasche und kramte die Karte
mit Gordon Farbers Telefonnummer heraus. Er setzte sich auf
die Bettkante und wählte, doch seine Hand zitterte jetzt so sehr,
daß er es erst beim dritten Versuch schaffte, die Nummer zu
Ende zu wählen. »Hier spricht Glen Jeffers«, sagte er, als sich
jemand im Büro des Herzspezialisten meldete. »Ich muß heute
unbedingt zu Ihnen kommen, und zwar am besten gleich.«
»Gleichgültig, was Ihnen zugestoßen ist: jetzt sind Sie jedenfalls wieder in Ordnung.«
Es war inzwischen fast eine Stunde vergangen, und Glen war
nicht sicher, ob Gordy Farbers Worte gute oder schlechte
Neuigkeiten bedeuteten. Man hatte ihm den Puls gefühlt, den
Blutdruck gemessen und ein EKG gemacht. Und weil jeder
Test normale Ergebnisse zeigte, hatte sich seine Furcht ein
wenig gelegt. Aber er hatte nach wie vor keine Ahnung, was
dazu geführt hatte, daß er sich bewußtlos auf dem Badezimmerboden wiedergefunden hatte. »Was ist bloß passiert?«
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