Blizzard-Fehde
Niobrara erreicht hatte, bevor der Blizzard losbrach? Das war unsere fortwährende Frage.
Und natürlich hatten wir uns auch von Miss Langtry verabschiedet und ihr alles Glück gewünscht.
Das Wetter hielt auch während der nächsten Tage an. Es blieb kalt. Zum Glück fanden wir immer wieder kleine Waldstücke kurz vor Anbruch der Nacht, sodass wir reichlich Feuerholz zur Verfügung hatten und als Schlafunterlage dichte Fichtenzweige auslegen konnten. Dennoch waren es kalte Camps.
Luke sagte manchmal bedauernd: »Wir hätten in Dodge City bleiben sollen. Bei meinem Kartenglück hätten wir bis zum Frühling ein gutes Leben gehabt. Glaubst du denn wirklich, Bruder, dass Onkel Johns Rinder noch am Leben sind, ja, dass sie überhaupt die geschützten Täler im Niobrara-River-Land erreicht haben?«
»Wer weiß…«, erwiderte ich immer nur ausweichend.
Eines Tages durchritten wir den North Platte River, und am nächsten Tag – es war schon dunkel – sahen wir vor uns in der Ferne die Lichter einer Siedlung oder kleinen Stadt. Es musste der kleine Ort Alliance sein. Die Stationsleute hatten uns ja den Weg zum Niobrara River beschrieben. Alliance lag nördlich von Scottsbluff, wo der Oregon Trail vorbeiführte.
Luke stieß einen zufriedenen Ruf aus und sagte dann: »Heute schlafen wir gewiss nicht unter freiem Himmel. Oho, vielleicht schlafe ich diese Nacht sogar in den Armen einer Puta, die mich wärmen wird.«
Luke hatte offenbar die große Enttäuschung überwunden, die er mit der schönen Lilly erlebte. Aber es war sicher, dass er an keine Frau mehr glauben würde und sich nur noch mit Huren einließ, die er sich kaufen konnte und von denen er außer ihrem Körper nichts verlangte.
Wenig später ritten wir in den Ort und fanden auch sofort den Mietstall.
Und hier gab es für uns eine große Überraschung. Als wir durch die kleine Tür, die sich im rechten Torflügel befand, in den Stall traten, da stießen wir auf eine Pokerrunde, die um eine große Futterkiste hockte, die den Spielern als Pokertisch diente.
Drei der Spieler kannten wir. Es waren Reiter von Onkel Johns Mannschaft. Wir kannten sie fast so gut wie Brüder, denn wir hatten mit ihnen die Rinder von San Antonio nach Dodge City getrieben.
Nun hockten sie hier im Stall unter einer Stalllaterne und spielten mit dem Stallmann billigen Centpoker. Ja, es war Centpoker, denn auf der Futterkiste lagen nur kleine Münzen.
Sie blickten nun auf uns und erkannten uns sofort.
Shorty Mullegan sagte mit einem Klang von Bitterkeit in seiner stets heiser klingenden Stimme: »Oho, da seid ihr ja. Aber euer Onkel hätte euch sehr viel früher gebraucht. Ihr kommt zu spät.«
Seine Worte ließen uns Schlimmes ahnen. Ja, es musste wohl dort im Norden im Niobrara-Land etwas geschehen sein, was nicht gut war für Onkel John.
Und so fragte ich Shorty Mullegan und die beiden anderen, die Cole Skinner und Lance Scott hießen: »Was ist los? Warum hockt ihr hier in einem Stall?«
Der Stallmann war ein alter Bursche.
Er begann die Karten neu zu mischen. Es waren sehr alte Karten, abgegriffen und schmierig schon.
Nun hielt er inne.
Cole Skinner sagte: »Dieser verdammte Blizzard! Die Herde geriet uns am Niobrara außer Kontrolle. Sie zerstreute sich in die geschützten Täler, verschwand auch im Wald. Diese Longhorn-Biester sind ja so schlau, wie man es nicht für möglich hält. Sie verkrochen sich gewissermaßen überall, wo es Schutz gab und auch noch etwas Futter.«
»Na gut«, murmelte ich, »dann muss die Herde doch eigentlich den Blizzard gut überstanden haben – oder?«
Sie schwiegen einige Atemzüge lang, und man sah ihnen an, dass sie sich innerlich irgendwie wanden und es ihnen schwer fiel, mir eine Antwort zu geben.
Dann sagte Shorty Mullegan: »Gewiss – ja, wahrscheinlich hat die Herde den verdammten Blizzard einigermaßen gut überlebt. Aber…«
Er verstummte. Auch die anderen beiden schwiegen und wirkten so, als säßen sie auf einem Ameisenhaufen.
»Aber was?« Luke fragte es ungeduldig.
»Die Rinder verteilten sich auf der Bourdelle-Weide«, murmelte Shorty. Dann schwieg er, so als hätte er schon alles gesagt.
Luke und ich, wir stießen zweistimmig den gleichen Fluch aus.
Dann knurrte Luke: »Bourdelle! Verdammt, Bourdelle, King Ernest Bourdelle!«
»Ihr kennt ihn? Ihr habt schon von dem großen King hier gehört?« Lance Scott fragte es heiser.
Wir nickten.
Und da sprach Lance Scott weiter: »Er gibt die Rinder nicht mehr heraus.
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