Blizzard-Fehde
führen, sondern uns auch alles erklären.«
Die schrägen Augen des Alten wurden schmal.
»King Ernests Land?« So fragte er kehlig, doch gut verständlich.
Ich nickte. Und dann beschloss ich, ganz offen zu sein. Denn ich konnte mir ausrechnen, dass die Sippe ihre Armseligkeit gewiss auch diesem Bourdelle verdankte. Es konnte gar nicht anders sein. Denn dies hier war sicherlich die Grenze seines Gebietes.
Und so fragte ich: »King Ernest ließ unseren Onkel töten. Und er stahl ihm eine ganze Herde, so wie ihr diese beiden Rinder, deren Häute wir sehen. Wir wollen King Ernest Bourdelles Skalp. Aber wir sind zu fremd in diesem Land.«
Der Alte starrte uns lange mit seinen Schlitzaugen an. Dann wandte er sich zu den Zelten um und stieß einen Ruf aus.
Ein noch junger Krieger kam heraus, und es war so, als glitte ein Puma aus einer Höhle. Er kam herbei und starrte uns zuerst feindlich an. Denn wir waren ja für ihn weiße Männer.
Der Alte sprach zu ihm in ihrer Sprache. Dann wandte er sich wieder an uns.
»Das ist mein Enkel. Sein Name ist Biberzahn. Er blieb als einziger junger Krieger übrig, als wir noch gegen King Ernest Bourdelle kämpften. Er spricht auch eure Sprache, denn als Knabe ging er in die Missionsschule. Er wird euch führen und alles zeigen. Für einen Dollar pro Tag. Und nun gib mir zehn Dollar im Voraus, weißer Mann.«
Er streckte seine Hand aus. Ich gab ihm das Geld.
Wenig später ritten wir weiter.
Biberzahn führte uns auf einem gescheckten Pferd. Manchmal sah er uns an. Bisher hatte er noch nicht gesprochen, doch nach einer Weile fragte er: »Und ihr wollt seinen Skalp?«
»Den kannst du haben.« Luke grinste. »Wir wollen eigentlich nur sein Leben. Aber es könnte eine lange Fehde werden.«
»Dann verdiene ich viele Dollars – und vielleicht einen Skalp«, erwiderte er ernst.
Luke sah mich von der Seite her an und sprach dann: »Bruder, du hast vielleicht einen wirklich guten Einfall gehabt.«
* * *
An diesem Tag ritten wir also über die Grenze von Bourdelles Land.
Irgendwann an diesem Tag fragte ich Biberzahn: »Wie weit ist es bis zu King Ernest Bourdelle?«
Er deutete nach Norden.
»Noch weit«, erwiderte er. »Auf der anderen Seite des Niobrara. Es gibt dort einen kleinen Ort, den sie Chadron nennen. Dieser Ort lebt in Bourdelles Schatten. Seine Ranch – also sein Hauptquartier – ist größer als der Ort. Er will daraus eine Stadt machen, deren Menschen ihm dienen. Denn er braucht ja Handwerker und viele andere Hilfskräfte, auch Farmer. Er will ja mehr sein als nur ein Rancher, nämlich ein König mit Untertanen jeder Sorte.«
Als Biberzahn verstummte, da staunte ich. Denn er drückte sich wie ein gebildeter Weißer aus. Dabei war er äußerlich ganz und gar ein Indianer, bekleidet mit Wolfsfellen und drei Federn im Haar.
Ich fragte: »Zu welchem Volk gehört ihr?«
»Cheyenne«, erwiderte er knapp. »Wir sind vom Volk der Cheyenne.«
»Und du bist zur Schule gegangen?«
»Bei Pater de Smet, einem belgischen Jesuitenpater, der damals überall Missionen errichtete und wahrscheinlich der erste Weiße war, der in diesem Land mit einem Pflug die Erde aufbrach, um Saat darin auszustreuen.«
Er sagte es ernst.
Ich aber sagte: »Du bist wahrscheinlich gebildeter als so mancher Weißer. Warum lebst du dann bei dieser armseligen Sippe, die sich zwei Kühe stehlen muss, um genug Fleisch zu haben?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wir kämpften lange gegen Bourdelle«, sprach er schließlich. »Wir gehörten zu einem großen und stolzen Dorf mit mehr als hundert Zelten. Bourdelle besiegte uns mit seinen Reitern. Ich wurde schwer verwundet und war lange krank. Sie konnten mich nicht weit transportieren – nur bis dorthin, wo du uns besuchtest. Wir wollten den Frühling abwarten, bis wir nach Westen ziehen würden, und jetzt bin ich neugierig, ob ihr Bourdelle töten könnt. Bald werde ich wissen, ob ihr groß genug seid – bald!«
Das letzte Wort stieß er scharf aus, so als hätte dieses »Bald« eine besondere Bedeutung.
Wir ritten dann schweigend einige Meilen weiter, und wir hielten uns stets in guter Deckung der Bodenwellen und Hügelzüge, der Wald- und Buschinseln – und auch in den Senken.
Biberzahn führte uns wie ein erfahrener Krieger.
Es war dann am späten Nachmittag, als zwei Reiter aus einem Waldstück auf uns zugeritten kamen.
Biberzahn hielt an. Wir nahmen ihn zwischen uns und hörten ihn sagen: »Nun werden wir sehen, ob ihr gut seid als
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