Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Werbeserie für das Boot oder für Segelbekleidung oder Sonnenbrillen oder Uhren sein können, denn mein Vater
ist ein sehr gut aussehender Mann. Die große Nase, die in meinem Gesicht wie ein Fremdkörper wirkt, verleiht ihm ein interessantes
Profil. Seine Zähne sind gleichmäßig und strahlend weiß, die Augen groß und dunkel und von langen Wimpern umsäumt. Seine Haut
ist immer sonnengebräunt, und um seine Augen sind attraktive Lachfältchen zu sehen. Seine schwarzen und leicht gewellten Haare
trägt er länger als normal. Ja, er ist ein beeindruckender Mann, den ich meinen Freundinnen gern vorstellen würde. Ganz anders
als der neue Mann meiner Mutter, dessen fliehendes Kinn übergangslos in den asthmatischen Brustkorb und von dort in einen
weichen, unförmigen Rumpf übergeht. Zum Glück hat sie ihn erst geheiratet, als ich schon aus dem Haus war, denn ich hätte
mich in Grund und Boden geschämt, diesen Mann jemals als meinen Stiefvater präsentieren zu müssen. Obwohl er eigentlich ganz
nett ist.
Der nächste Treffer im Internet über meinen Vater war die Nachricht, dass sein Unternehmen gerade einen Konkurrenten übernommen
hatte. Das Unternehmen gehört ihm übrigens nur, was nicht bedeutet, dass er es leitet. Diese Tätigkeit würde regelmäßige Anwesenheit
und Arbeit in einem Büro erfordern. Wie langweilig.
Mein Vater lässt andere für sich arbeiten. Er selbst segelt auf Weltklasseniveau, reitet auf Europameisterniveau und feiert.
Und das vermutlich auf intergalaktischem Niveau, jedenfalls taucht sein Gesicht immer dort auf, wo gerade die Post abgeht.
In diesem Fall war es die Geburtstagsfeier eines Enkels des spanischen Königs. Seufzend klickte ich mich durch die diversen
Fotos, die ihn jeweils mit einer anderen Frau im Arm zeigten. Mal wieder keimte der Wunsch in mir auf, ihn endlich einmal
kennenzulernen. Eines Tages einfach mal bei ihm aufzutauchen und zu sagen: »Hallo, ich bin deine Tochter.« Aber dazu müsste
ich etwas mehr vorzuweisen haben als einen mittelmäßig bezahlten Job bei einer Fluggesellschaft, und das ist leider nicht
in Sicht. Als arme Kirchenmaus wollte ich ihm aber nicht unter die Augen treten, daher schob ich den Gedanken wieder beiseite.
Stattdessen sollte ich mich lieber Sabines Auftrag widmen.
»Easy Blogging« hieß das Programm. Ganz schön einfallslos. Ich klickte auf das Icon. Auf dem Bildschirm erschien eine schicke
Oberfläche mit mehreren Auswahlmöglichkeiten. Blog erstellen, Blog bearbeiten, Blog aktualisieren, Bloggen. Mir erschlossen
sich die Unterschiede der einzelnen Buttons nicht, aber das war zunächst egal, denn ich musste sowieso von vorn beginnen.
Die grafische Oberfläche, die Sabine gestaltet hatte, leitete mich mit der hellsten Farbe zum ersten Schritt: Blog erstellen.
Der Anfang war kinderleicht, selbst für mich Technikmuffel. Das Programm bot mir einige Gestaltungsalternativen betreffend
Farben und Schrifttypen, die ich aus dem Bauch heraus wählte, und fragte nach, ob ich Fotos einbinden wollte. Damit waren
wir bei der ersten Hürde angelangt. Da ich keine Ahnung hatte, was ich bloggen sollte, wusste ich auch nicht, ob ich Fotos
einbinden wollte. Genervt schloss ich das Programm, schaltete den Laptop aus, schnappte mir die Hundeleine und zog die Schuhe
an. Sergeant Pepper stand bereits abmarschbereit an der Tür. Vielleicht würde mir an der frischen Luft etwas einfallen, was
ich in Sabines Probe-Blog schreiben konnte.
Sergeant Pepper hatte einen derart ausgeprägten Bewegungsdrang entwickelt, dass ich ihn in der Stadt kaum bändigen konnte.
Ich fragte mich, wie Sabine es geschafft hatte, ihn nur zweimal am Tag kurz Gassi zu führen, denn sobald er mit mir draußen
war, tobte er herum wie ein Kind auf dem Abenteuerspielplatz. Um uns beiden einen Gefallen zu tun, lenkte ich unsere Schritte
an den Rhein. Hier auf den Wiesen konnte er laufen bis zum Umfallen, und ich konnte gemächlich hinterherspazieren oder mich
auf eine Bank setzen oder einfach mit den Händen in den Taschen auf dem Deich stehen und aufs Wasser starren.
Zum Sitzen war es zu kalt, also schlenderte ich auf dem Deich entlang und dachte über mein Problem nach. Die nächsten Wochen
lagen öde und leer vor mir, was also sollte ich in den Blog schreiben? Jeden Tag über Langeweile klagen?
»Grässlich«, sagte ich laut.
Das Pärchen, das mir entgegenkam, warf mir abfällige Blicke zu. O Gott, wie peinlich. Jetzt
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