Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
redete ich schon mitmir selbst. Zum Glück kam Sergeant Pepper gerade angerast.
»Grässlich siehst du aus«, sagte ich etwas lauter als nötig zu ihm, als er an mir hochspringen wollte. »Du machst mich ganz
dreckig!«
»Noch unpassender kann man sich aber auch nicht anziehen«, hörte ich, während das Pärchen an mir vorbeiging und abfällig meinen
hellen Mantel musterte. Ein müder Beagle schlich hinter ihnen her, die Ohren über den Boden schleifend. Der machte bestimmt
niemanden schmutzig.
Die Hunde-Nanni: Erfahrungen eines Hundesitters mit Zwei- und Vierbeinern. Tolles Thema für einen Blog. Erster Eintrag: Ich
habe nichts Passendes anzuziehen, um mit dem mir anvertrauten Energiebündel am Rhein spazieren zu gehen. Zweiter Eintrag:
Es gibt keine Kameradschaft unter Hundebesitzern. Dritter Eintrag: Dieser Blog wurde wegen Nichtigkeit abgeschaltet.
Ich seufzte. Eigentlich wäre ich jetzt in Vancouver. Die Vancouver Fashion Week war gerade vorbei, aber ich liebe diese Stadt
zu jeder Gelegenheit und hatte mich deshalb bei der Disponentin für die lange Route gemeldet. In zwei Etappen hin, anschließend
einige Flüge auf dem amerikanischen Kontinent und dann wieder retour. Shoppen in Vancouver, wo es die verrücktesten Designer
wie Yumi Eto, Zonda Nellis oder Thomas Lynch gibt, dann Kulturschock mit Cowboyhut in Dallas, shoppen in New York … Stattdessen saugte mein Mantel rheinischen Nieselregen auf. Da träumte ich mich doch lieber gleich wieder weg. Deutlich
und in Farbe sah ich Vancouvers Skyline unter mir verschwinden, sah die von weißen Segelbooten gesprenkelte Wasserfläche des
Sunds, während ich selbst ins strahlende Blau des Himmels fliege …
Die Vision war so lebensecht, als sähe ich wirklich denHimmel über einer der schönsten Ecken der Welt und nicht die tief hängende Wolkendecke über Oberkassel.
Abrupt blieb ich stehen.
Die Idee war gar nicht schlecht. Ich könnte einen Reiseblog schreiben und über die Städte berichten, die ich kannte. Das waren
genug Destinationen für zehn Wochen. Genau genommen würden sie sogar für zehn Monate reichen. Ich könnte Shopping-Tipps vom
Luxuskaufhaus bis zum Secondhand-Lädchen geben, über die Atmosphäre und den Stil der Stadt und ihrer Bewohner schreiben und
ein paar Fotos einstellen. ›Into-the-blue‹ wäre ein schöner Titel.
Warum eigentlich nicht?
Im nächsten Moment lag ich mit dem Gesicht im Dreck. Sergeant Pepper hatte Anlauf genommen und mich in einem denkbar ungünstigen
Moment von hinten angesprungen, als ich gerade die Hände in den Taschen und den Kopf in den Wolken hatte. Mein Knie war auf
einem Stein gelandet und sandte Schmerzwellen in den Magen und das Hirn. Die Sonnenbrille hatte mir fast die Nase eingedrückt
und lag nun verbogen im Dreck. Ich richtete mich stöhnend auf. Das mag jetzt übertrieben klingen, aber mir wird bei heftigem
Schmerz immer schnell schlecht, und diesmal war es so schlimm, dass ich mich auch noch übergeben musste. So bekamen die sowieso
schon schlammigen Sneaker, die Jeans und der Mantel die Reste meiner letzten Mahlzeit ab. Na, prima! Hinten voller Schlamm,
vorne komplett zugekotzt lag ich am Boden, während der Hund mir den Dreck aus dem Gesicht leckte. Ich hielt diesen Moment
(fälschlicherweise) für den absoluten Tiefpunkt meines Lebens, schämte mich zu Tode und kämpfte mit den Tränen.
Drei
Humpelnd und mit gesenktem Kopf schlich ich durch die Straßen. Mein linkes Knie blutete und tat höllisch weh. Der Knöchel
pochte nur noch dumpf vor sich hin, dafür hatte der psychische Schmerz zugenommen. Hoffentlich sah mich niemand, den ich kannte,
oder erkannte mich wenigstens nicht unter der tief in die Stirn gezogenen Mütze. Mit dem angetrockneten Schlamm sah ich vermutlich
aus wie eine Kurtisane aus der Terrakotta-Armee.
»Hey, brauchst du Hilfe?«, fragte eine tiefe kratzige männliche Stimme in total entspanntem Tonfall direkt neben mir. Ich
erschrak so heftig, dass ich einen Satz zur Seite machte. Blöderweise stand genau dort ein Abfalleimer, weshalb ich strauchelte
und Sergeant Pepper auf die Vorderpfoten trat. Er jaulte und zog an seiner Leine, ich japste vor Schreck und versuchte hektisch,
das Gewicht zu verlagern, und verlor dabei vollends das Gleichgewicht.
Zwei Hände in Klodeckelgröße fassten mich von hinten, fingen mich auf und stellten mich sanft wieder auf die Füße, als wäre
ich ein mit Watte ausgestopftes Püppchen
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