Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Überlegungen,
sondern nur durch
den direkten Kontakt mit Menschen, die Bekanntes neu kombinieren oder Neues kreieren. Voyeurismus gehört zu meiner Arbeit,
aber vor allem Intuition. Was wird zum Trend, was nicht? Worauf fliegen die Herzen der Menschen, was lässt sie kalt? In diesen
Fragen herrscht in der Redaktion längst nicht immer Einigkeit. Dabei zählt weder die Kollegenmeinung noch meine – sondern
IHRE. Wenn Sie also Lust haben, schreiben Sie mir.
Schreiben Sie mir? Wollte ich das wirklich? Der Satz war mir so herausgerutscht, er passte zu der Geschichte, die ich erfunden
hatte. Aber was würde ich tun, wenn mir jemand auf meinen Blog antwortete? Ginge das überhaupt? Nur so rein theoretisch, dachte
ich, denn bisher stand in diesem Eintrag nichts, worauf sich eine Antwort lohnen würde.
Ich checkte die Funktionen, die ich bisher eingestellt hatte, anhand des Buttons mit der Aufschrift »Einstellungen«. Ja, die
Funktion »Kommentare zulassen« war eingestellt. Okay. Ach, was soll’s, dachte ich, vermutlich kam sowieso nie eine Reaktion.
Ich schloss dieses Fenster und ging zurück zu meinem Eintrag.
Ich fand, für den ersten Blogeintrag reichte das. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie ich weitermachen sollte, daher wählte
ich die Funktion »Vorschau«. Der Text erschien in der gewählten Schriftart vor dem Hintergrund in blauen Schattierungen, mit
Datum versehen. Sah gut aus.
Und jetzt? Wie ging es weiter? Ich scrollte nach unten und fand den Button »Veröffentlichen«. Das wäre dann ja wohl der nächste
logische Schritt, also klickte ich darauf. Es öffnete sich eine Maske, in der ich den vorgegebenen Menüpunkten folgte. Veröffentlichen
im WWW,ich klickte auf »Ja«. Unter welcher Adresse? Das Menü schlug eine Internetadresse vor: www.new-bizz-on-the-blog.de. In Klammern
erschien dahinter der Hinweis, dass es sich um eine Testplattform handele, die von winterberg-grafic-services betrieben wird.
Aha, Sabine hatte an alles gedacht. Ich klickte auf »Ok«. Name des neuen Blogs? Hm, das war schon schwieriger. Hier gab mir
das System keinen Vorschlag, dieses Feld musste ich selbst ausfüllen. Ich blickte aus dem Fenster, stand auf, reckte mich,
setzte mich wieder. Wie sollte mein Blog heißen? Genauer gesagt: Millies Blog. Sollte ich einfach ihren Namen nehmen? Ich
tippte Millie’s Magazine und drückte »Enter«.
Himmel, das Fenster, das jetzt erschien, teilte mir mit, dass mein Blog eingerichtet und veröffentlicht war. Das durfte doch
nicht wahr sein? So schnell? Damit hatte ich nicht gerechnet. Dies war doch eine Testversion, hatte Sabine mir erklärt.
Vermutlich war es genau das. Eine Testversion, die einfach so tat, als wäre der Blog veröffentlicht. Genau. So musste es sein.
Ich schloss das Programm, ging ins Internet und gab die Internetadresse ein, die das Programm mir gerade genannt hatte.
Mein Gott, da war es.
Als hätte ich mir die Finger verbrannt, nahm ich die Hände von der Tastatur, rückte auf dem Sessel ganz nach hinten und betrachtete
aus dieser sicheren Entfernung den Blogeintrag, der für alle Welt sichtbar im Netz stand.
Ich verbrachte den Abend vor der Glotze, konnte mich aber nicht konzentrieren. Am Schluss des Krimis hatte ich keine Ahnung,
wer der Mörder war und warum die Kommissarin heulte wie ein Schlosshund. Dann schlief ichschlecht, weil ich immer wieder über meine neue Identität und den Inhalt meines Blogs grübelte. Wie entstanden wohl Trends?
Ich hatte mir diese Identität zugelegt, ohne wirklich viel davon zu verstehen. Natürlich hatte ich mehrere Artikel in Modezeitschriften
darüber gelesen, was Trendscouts tun, aber jetzt, da es um ganz konkrete Erlebnisse und Erfahrungen ging, musste ich doch
ziemlich improvisieren. Allerdings hatte sich die Grübelei gelohnt, denn sie bescherte mir außer den großen, dunklen Ringen
unter den Augen auch eine ungefähre Vorstellung davon, welche Richtung die Einträge in meinem Blog nehmen würden. Und auch
die unzähligen Fotos, die ich auf jeder Reise schoss, würden endlich sinnvoll zum Einsatz kommen.
Ich brachte mein Äußeres in eine akzeptable, wenn auch nicht perfekte Form, und rief Sergeant Pepper. Er jagte aufgeregt heran,
brachte dabei seine Leine gleich mit, wartete ungeduldig, während ich Jacke und Mütze überzog, und folgte mir übermütig hinaus.
Ich schlug den Weg zu meiner eigenen Wohnung ein.
Wie immer hatte die nette
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