Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
von mir weg.
»Das Landeskriminalamt ist da«, flüsterte ich Stefan zu. »Kommissar Stahl in Person. Willst du dem hier vielleicht in die
Arme laufen?«
Endlich stoppte das Klicken des Fotoapparates für einen Moment. »Der kennt mich doch gar nicht«, sagte er dann. »Und hinter
meiner Kamera bin ich sowieso nicht zu sehen.«
»Aber ich muss hier weg, und wenn ich gehe, gehst du auch«, raunte ich.
»Vergiss es!«
Karl drehte sich wieder zu mir um, also wandte auch ich mich wieder ihm zu. Mit den Augen suchte ich über seiner rechten Schulter
das Cordjackett, das aus der Menge der Designerklamotten herausstach wie eine Abraumhalde aus einem Schmetterlingsbiotop.
»… denn inkognito?«, fragte Karl.
Mist, ich hatte seine Frage nicht richtig mitbekommen.»Den Blog betreibe ich quasi privat, nicht im Auftrag meines Magazins. Das muss man trennen«, sagte ich und hoffte, dass die
Antwort irgendwie zur Frage passte.
Karl nickte zögernd. War vielleicht doch nicht so sinnvoll gewesen, was ich von mir gegeben hatte?
Ich suchte den Raum hinter seiner rechten Schulter nach Stahl ab. Da war er. Blickte genau in meine Richtung. Mit gerunzelten
Augenbrauen.
»Es tut mir wirklich leid, aber es hat sich etwas an meinen Reiseplänen geändert. Ich muss leider gleich wieder los.«
»Nein, das ist aber wirklich zu schade. Dann verpassen Sie ja die Party.«
Karl war sehr höflich, unterstrich sein Bedauern durch ein steifes Kopfnicken und schaute sich bereits nach seinem Assistenten
um. Der Schönling materialisierte sich an der Seite seines Herrn, als habe allein der Gedanke seines Meisters ihn herbeigerufen.
»Ich würde es aber doch sehr begrüßen, wenn Sie mir Ihre richtige Identität …«
»Au revoir«, beeilte ich mich zu sagen.
Stahl hatte sich von den Männern, mit denen er sich unterhalten hatte, abgewandt, und kam in unsere Richtung. Zum Glück war
das Hin und Her von halb nackten Models, angesäuselten Designern und aufdringlichen Gästen inzwischen in ein totales Chaos
übergegangen, sodass er nicht recht vorankam. Ich griff nach hinten, bekam Stefans Hemd zu fassen, und zog ihn mit mir in
Richtung Ausgang.
»Entschuldigung!«
Das war Stahls Stimme. Sie übertönte das Tohuwabohu mühelos. »Augenblick, warten Sie doch bitte.«
Ich ging schneller.
»Frau Martin?«
Wir hatten die Tür erreicht.
»Jetzt bin ich wieder ganz für Sie da«, hörte ich Karl hinter mir sagen. »Was sagten Sie gleich, woher Sie kamen? Vom Landeskriminalamt
aus Düsseldorf?«
Die Tür wurde für uns geöffnet, wir stürmten hindurch, ich wandte mich nach rechts zum Ausgang und jagte mit ganz und gar
undamenhaft großen Schritten den Teppich entlang, aber Stefan blieb nach ein paar Schritten stehen, als sei er gegen eine
Wand gelaufen.
»Ich bleibe«, verkündete er im Tonfall eines amerikanischen Action-Helden, der sich in ein brennendes Haus stürzt, um eine
schöne Frau aus den Flammen zu retten. »Ich lenke ihn ab. Mach’s gut.« Er ließ meine Hand los, drehte sich um und eilte zurück.
Ich riskierte einen Blick über die Schulter, und sah Stefan nach, der dem Türsteher zunickte. Die Tür wurde geöffnet. Direkt
dahinter stand Stahl und redete auf Karl ein. Ich zog den Kopf zwischen die Schultern, wandte mich zum Ausgang und verließ
fluchtartig das Gebäude.
Erst auf der Straße wurde mir bewusst, dass ich erstens in einem absolut unmöglichen Aufzug mitten in Paris stand und außerdem,
was weitaus katastrophaler war, ohne einen einzigen Cent.
Stefan und ich hatten bei den Planungen das Wichtigste vergessen: die Handtasche. Stefan hatte sich bereit erklärt, mein Portemonnaie
mit Ausweis, die Zugtickets und alle anderen wichtigen Dinge wie Handy, Blasenpflaster und Taschentücher in seinen Fotorucksack
zu packen. Dort waren sie auch jetzt. In dem winzigen Täschchen, das ich bei mir trug, befanden sich ein Lippenstift, ein
Miniaturblock und der Fotokugelschreiber. Keins dieser drei Accessoireswar mir in meiner jetzigen Situation besonders hilfreich.
So stand ich allein im beginnenden Regen auf der Avenue Winston Churchill und konnte mein Pech nicht fassen. Das aufregendste
Treffen meines Lebens war nach wenigen Minuten vorbei und endete in der Obdachlosigkeit. Immerhin in Markenklamotten, die
einige Tausend Euro wert waren. Und vermutlich gerade durch den Regen unrettbar ruiniert wurden.
Mir kamen die Tränen.
Ich hatte noch nicht einmal ein Taschentuch
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