Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
dabei, um mir die Nase zu putzen. Zum Glück hatte ich keine Wimperntusche aufgelegt,
da hinter der riesigen Sonnenbrille mit den hellblauen Federn von meinen Augen sowieso nichts zu sehen war. Vollkommen fassungslos
stolperte ich auf den lächerlich hohen Absätzen hektisch über das Pflaster, das vor knapp zwei Stunden noch das verheißungsvollste
der Welt gewesen war. Ich musste so viel Distanz wie möglich zwischen mich und Kommissar Frank Stahl bringen. Ich zog die
Schuhe aus und lief barfuß durch den strömenden Regen.
Neun
Mein Ziel war der Bahnhof
Gare du Nord
, von dem unser Zug in drei Stunden nach Deutschland fuhr. Zum Glück kannte ich mich in Paris gut aus, und es fiel mir nicht
schwer, mich zu orientieren. Allerdings war die Orientierung mein geringstes Problem, wie ich bereits nach ungefähr zehn Minuten
feststellen sollte.
Mit den Schuhen in der Hand und in mittlerweile vollkommen durchnässter Kleidung lief ich gesenkten Hauptes durch die Straßen,
als ich angesprochen wurde. Von zwei Polizisten.
»Bonjour, Madame.«
Sie meinten mich, das war zweifelsfrei zu erkennen. Ich grüßte zurück.
»Est-ce que vous avez des problèmes?«
Ich verneinte höflich und sagte, dass ich lediglich während Karls Show einen kleinen Streit mit meinem Fotografen gehabt hätte.
Ich betonte die Worte Karl und Show und Fotograf in der Hoffnung, dass man mich einfach für eine weitere von vielen durchgeknallten
Modetanten halten, den Kopf über diese spinnerte Branche schütteln und mich ziehen lassen würde. Immerhin wimmelte die Stadt
seit Tagen von Leuten wie mir.
Fehlanzeige.
»Mais il n’est pas très sage de marcher sous la pluie – pieds nus, en plus.«
Danke, aber ich wusste selbst, dass es nicht sehr clever war, barfuß durch den Regen zu latschen. Nur – was sollte ich machen
ohne Geld für ein Taxi oder auch nur die Metro.
»La pluie m’aide à me calmer et les pieds sont mieux sans ces instruments de torture.«
Offenbar glaubten sie mir nicht, dass der Regen mich beruhigte, aber bei der Bezeichnung meiner Schuhe als Folterwerkzeuge
nickten sie grinsend.
»Vous allez bien alors?«
Ja, ich bestätigte noch einmal, dass es mir gutging, und wollte bereits dankend weitergehen, als der Größere der beiden den
befürchteten Satz sagte:
»On pourrait voir votre pièce d’identité, s’il vous plaît?«
Nein, Jungs, meinen Personalausweis könnt ihr leider nicht sehen. Und auch sonst keinerlei Papiere. Keinen Führerschein, keine
Kreditkarte, kein Zugticket, noch nicht einmal einen Mitgliedsausweis des örtlichen Videoverleihs. Ich schüttelte also den
Kopf und erklärte den Herren wortreich, dass Handtaschen total out seien und nicht infrage kämen, wenn man zum
défilé
der Saison ginge und daher mein Fotograf meine Papiere in seinem großen Fotorucksack bei sich hätte. Da wir uns aber nun gestritten
hatten, waren sie dort und nicht hier, und so konnte ich sie leider nicht zeigen.
»Dans ce cas, je vous prie de nous accompagner«
, sagte der Größere der beiden.
Wohin ich sie begleiten sollte, war schnell geklärt: zum nächsten Präsidium. Viel interessanter war die Frage, wie wir da
hinkommen sollten. Der Kleine sprach insein Funkgerät, und innerhalb weniger Sekunden hielt ein Streifenwagen neben uns. Ich ließ mich in die ekelhaft nach Zigaretten
und menschlichen Ausdünstungen stinkenden Polster sinken und kämpfte wieder gegen die Tränen. Na ja, immerhin war es trocken
und warm.
Auf dem Kommissariat wurde ich gebeten, meinen vollen Namen anzugeben, was ich gern tat. Der Name fand Eingang in einen Computer,
der vermutlich sämtliche europäischen Fahndungslisten nach Übereinstimmungen durchsuchte. Natürlich kam nichts dabei heraus.
Vielleicht konnte er aber auch meine Identität sofort online überprüfen und mein Passbild auf den Bildschirm zaubern – ich
hatte keine Ahnung, welche Datenbankvernetzungen es zwischen der deutschen und der französischen Polizei gab, oder ob diese
Überprüfung überhaupt möglich war, egal, ob in Deutschland oder Frankreich.
In meinen klitschnassen Klamotten saß ich teilnahmslos auf dem Stuhl, den man mir zugewiesen hatte. Der kleine Polizist, der
am Computer hockte, schickte irgendwann eine Kollegin los, mir etwas Trockenes zu besorgen. Sie kam mit einem blau-rot gestreiften
Herrenbademantel zurück. Ich verkniff mir die Frage, zu welchem Dienstgrad dieses Ausrüstungsstück gehörte.
Der
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