Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Ma hat heute Geburtstag.«
Er zauste mir durch das Haar, das ich offen trug. Die Kopfhaut spannte immer noch von den hundert Haarnadeln, die ich gestern
Abend gebraucht hatte.
»Hm«, murmelte ich.
»Kann sein, dass ich den ganzen Tag dableibe, wenn auch meine Schwester kommt.«
»Okay.«
»Ich rufe dich an.«
»Unbedingt.«
So hatte ich mir meinen Sonntag zwar nicht vorgestellt, aber mangels Alternativen nahm ich Sergeant Peppers Leine und verbrachte
den Nachmittag mit ihm am Rhein. Auf diese Art war wenigstens einer von uns beiden glücklich.
Da die Wohnung auch bei meiner Rückkehr noch leer war (weiß der Teufel, wo Stefan gestrandet war) und ich Beziehungsratgeber
nun nicht mehr nötig hatte, schaltete ich den Laptop wieder ein und besuchte Susan Walkers Blog. Ob aus Neugier oder Schadenfreude
oder einer ähnlich niederträchtigen Motivation heraus, konnte ich nicht genau sagen, vielleicht war es auch schlichte Langeweile.
Jedenfalls traute ich meinen Augen nicht. Susan Walker hatte ein Interview mit Millie auf ihrer Seite.
Susan Walker: Danke, Millie, dass Sie zu diesem E-Mail -Interview bereit sind.
Millie: Für eine Kollegin doch immer gern.
Susan Walker: Millie, wo sind Sie gerade?
Millie: Zu Hause.
Susan Walker: Wo ist das?
Millie: Das ist privat. Nur so viel: Es ist wenig spektakulär.
Susan Walker: Wie lang bleiben Sie zu Hause?
Millie: Drei Tage.
Susan Walker: Und wohin geht die nächste Reise?
Millie: Meine Reisepläne sind geheim.
Susan Walker: Was ist für Sie das Aufregendste an Ihrem Beruf?
Millie: Der Gestaltungsspielraum.
Susan Walker: Was gestalten Sie denn?
Millie: Trends.
Susan Walker: Aber wenn Sie etwas sehen, wie zum Beispiel das inzwischen berühmte Blumenmädchen, dann dokumentieren Sie etwas
bereits Bestehendes. Sie kreieren nichts Neues.
Millie: Richtig. Aber ich verbreite diese Idee.
Susan Walker: Das ist wie in meinem Beruf als Journalistin.
Millie: Ja, das kann man so sagen.
Susan Walker: Und was gefällt Ihnen am wenigsten?
Millie: Die dauernden Reisen machen einsam.
Susan Walker: Welchen Ratschlag würden Sie jungen Frauen geben, die Ihnen nacheifern wollen?
Millie: Überlegen Sie sich das gut. Wo Licht ist, ist auch Schatten.
Susan Walker: Vielen Dank für das Gespräch.
Millie: Bitte, jederzeit gern.
Ich schnappte fassungslos nach Luft. Dieses Interview war gefälscht. Ich war Millie, und ich hatte ihr kein Interviewgegeben. Nie im Leben würde ich diese blöde Ziege mit einem Interview beehren.
Die Frage war, ob Susan Walker das bewusst war. Vielleicht hatte sie ja auch irgendeinen windigen Kontakt im Internet hergestellt
und glaubte, dass diese Person Millie war.
Aber, nein, daran glaubte ich nicht.
Ich erkannte, dass ich meine Gegnerin unterschätzt hatte. Das gefälschte Interview war ein Geniestreich von Susan Walker höchstpersönlich.
Zunächst adelte sie sich selbst damit, dass Millie ihr offenbar ein Interview gewährt hatte. Dann spielte sie sich als Millies
ebenbürtige Kollegin auf, was Millie mit ihren Antworten eindeutig unterstrich. Susan nahm Millie jeglichen Glamour. Und sie
stellte sie als frustrierte, einsame Karrieretussi dar. Und zwar so subtil, dass viele Leserinnen den Schwachsinn sicherlich
glauben würden. Susan Walker war ein durchtriebenes, hinterhältiges Miststück – aber sie war eindeutig clever. Ich war mir
nicht ganz sicher, ob ich ihre Absichten schon völlig durchschaut hatte, oder ob der eigentliche Hammer noch folgen sollte.
Ich sprang auf, Sergeant Pepper sprang ebenfalls aus seinem Körbchen und kam schwanzwedelnd angelaufen, vermutlich in Erwartung
eines erneuten Spaziergangs. Ich streichelte ihn, tobte ein bisschen mit ihm herum, war aber nicht bei der Sache. Susan Walker
hatte mit ihrem dreisten Trick von Millies Popularität profitiert, das war ihr gut gelungen. Aber glaubte sie im Ernst, dass
sie nicht dabei erwischt wurde? Vorausgesetzt, sie hatte dieses Interview wirklich selbst verfasst – glaubte sie dann etwa
allen Ernstes, dass Millie das nicht mitbekäme? So dumm konnte sie nicht sein.
Oder wollte sie eine Reaktion provozieren? Aber wozu? Um durch einen Zickenkrieg Aufmerksamkeit zu bekommen? Wäre das clever?
Wollte sie wirklich bekannt werden als die Frau, die von Millie verklagt worden war? Oder – ha! War es das? Wenn Millie sie
verklagen wollte, musste sie sich offenbaren. Kein Gericht der Welt nimmt eine Klage an von einer Frau,
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