Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
müssen zusammenhalten.«
Ha, ha, ha.
Meine Kopfschmerzen hatten sich durch den Stress oder die Blamage oder das Heulen dramatisch verschlimmert, und ich fühlte
mich nicht in der Lage, irgendetwas Sinnvolles zu tun. Also ging ich mit Sergeant Pepper spazieren und schaute nachher bei
Moritz vorbei. Zum Glück war die Kneipe halb leer, und von den üblichen Verdächtigen war noch niemand da.
»Du siehst schrecklich aus«, sagte Moritz zur Begrüßung. »Bist du krank oder unglücklich?«
»Beides.«
»Willst du was essen?«
»Was gibt es denn?«
»Paprikahühnchen oder Tagliatelle mit Lachs.«
Ich schüttelte den Kopf.
Moritz blickte mich nachdenklich an. »Okay, du bist in einer Verfassung, in der du etwas ganz Besonderes brauchst. Ich mache
dir einen warmen Milchreis mit Zimt und Zucker.«
Ich starrte ihn an. Noch nie hatte ich einen Mann getroffen, der um die geheime Ich-bringe-die-Welt-wieder-in-Ordnung-Kraft
von Milchreis wusste. Dabei besitzt warmer Milchreis tatsächlich diese Kraft. Er erzeugt ein Wohlgefühl im Bauch, das in den
ganzen Körper einschließlich Kopf ausstrahlt und jeder Zelle mitteilt: Ichbin pappsatt und glücklich. So, wie man sich damals als Baby fühlte, zwischen Milch und Bäuerchen. Zimt und Zucker heben dieses
archaische Urgefühl auf ein erwachsenes, zivilisiertes Niveau. Der Effekt bleibt derselbe. Warmer Milchreis macht glücklich.
Ich strahlte Moritz an. »Das würdest du tun?«
Er nickte. Grinsend, wenn mich sein Bart nicht täuschte.
»Ja, bitte«, bettelte ich. Tränen der Rührung stiegen mir in die Augen, die ich schnell wegblinzelte.
»Dauert ein bisschen«, brummte Moritz.
»Ich warte«, hauchte ich.
Mit einer Modezeitschrift verzog ich mich an den Tisch in der hintersten Ecke, blätterte die neuesten Trends durch, konnte
mich aber nicht dafür begeistern. Mein schlechtes Gewissen drängte sich immer wieder in den Vordergrund.
Warum zum Teufel hatte ich Stahl nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt? Rückblickend konnte ich mein Verhalten absolut
nicht begreifen. Inzwischen wusste ich, dass Lügen nichts bringen außer Ärger. Besonders ärgerlich fand ich, dass ich wirklich
zum ersten Mal in meinem Leben ein derartiges Lügengespinst gewoben hatte und gleich erwischt worden war. Stahl würde mich
für eine notorische Lügnerin halten, dabei war ich normalerweise die Ehrlichkeit in Person.
Oder?
Na ja, ich hatte schon einige Male absichtlich zweideutige Bemerkungen fallen lassen, aus denen man schließen musste, dass
ich mehr war als eine kleine Stewardess. Der Spruch »Ohne mich hebt der Flieger nicht ab« war ein Klassiker in meinem Repertoire,
andere Formulierungen dienten demselben Zweck. Immer ging es darum, fremden Menschen gegenüber Eindruck zu schinden.
Warum tat ich das? War meine Herkunft der Grund dafür? Mein Gefühl, um ein Leben im spanischen Hochadel betrogen worden zu
sein? Aber wäre ich da glücklicher?
»Wenn du so böse guckst, wird der Milchreis sauer, bevor du auch nur einen Löffel davon probiert hast«, sagte Moritz, als
er den Teller abstellte.
Ich hatte ihn gar nicht bemerkt, so tief war ich in meinen Gedanken versunken, dabei hätte mindestens der Duft nach warmer
Milch und Zimt seine Ankunft verraten können. Ich atmete tief ein. »Hmm.«
»Guten Appetit, Lulu.« Er tätschelte mit seiner riesigen Hand meine Schulter.
Die Geste brachte mich fast zum Heulen. »Danke, Moritz.«
Der Reis war cremig und zart, aber nicht matschig. Reichlich Zucker schmolz mit dem Zimt zusammen in den Brei und bildete
Schlieren beim Verrühren. Mit jedem Löffel Milchreis entspannte ich mich etwas mehr. Die Tränen, die die ganze Zeit direkt
hinter den Augenlidern gelauert hatten, verschwanden. Je mehr warmer Pamps in meinen Magen gelangte, desto wohler fühlte ich
mich. Als der Teller leer war, war ich glücklich.
»Jetzt siehst du besser aus, Mädchen«, sagte Moritz, als er kam, um den Teller abzuholen.
»Das war himmlisch«, entgegnete ich mit einem vermutlich völlig dämlichen Grinsen.
»Den kriegst du hier jederzeit«, knurrte er sanft, dann war er weg.
Ich blinzelte ihm gerührt hinterher.
Auch am Nachmittag konnte ich mich nicht dazu aufraffen, den Laptop anzuwerfen und Millies Blog fortzuführen.Hätte ich es getan, hätte mich die Katastrophe ein paar Stunden früher ereilt. Stattdessen erholte ich mich von meiner Riesenblamage,
indem ich Stefan bei seiner Arbeit am Fotobuch half.
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