Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Es war grandios.
Alle großen Mode-Labels kamen darin vor mit Fotos von Shows, Backstage-Impressionen, die Designer im Porträt, aber auch in
Schnappschüssen mit Models, mit ihren Kreationen oder in Gedanken versunken vor einem Spiegel. Fotos von den Gästen der Fashion-Shows,
die sich aus Promis, Chefredakteurinnen und -redakteuren der wichtigsten Printmagazine und Bloggern zusammensetzten. Alle
Fotos waren beschriftet, jedem Gesicht wurde ein Name zugeordnet. Alle wichtigen Gesichter und Namen waren vertreten, nicht
zuletzt Karl, den Stefan in Paris in einigen wundervollen Momenten erwischt hatte.
Auf einem der Fotos war auch ich zu sehen. Besser gesagt Millie. Die Bildunterschrift lautete: Trendscout und Bloggerin Millie
im Insider-Talk mit Karl.
Ich konnte mich unter der blau-silbrigen Perücke und hinter der Federbrille selbst nicht erkennen.
Um neun Uhr schaltete ich den Fernseher zur neuesten Folge von Headhunter ein. Thomas hatte Spätdienst, war also während der
Sendung für aktuelle Recherchen und Hintergrundinfos zuständig und konnte sich deshalb nicht mit mir treffen. Wenn ich die
Sendung sah, würde ich mich ihm wenigstens nahe fühlen.
Dachte ich.
Stattdessen traf mich der Schlag völlig unvorbereitet. John Hunter hatte Susan Walker zu Gast.
»Susan, wir haben diese Sendung über Jobs in der Modewelt lang geplant, allerdings erst für einen Sendetermin im kommenden
Monat. Nun gibt es allerdings einen Skandal,den Sie selbst aufgedeckt haben, daher haben wir die Sendung aus aktuellem Anlass vorgezogen. Schön, dass Sie so spontan kommen
konnten.«
»Danke für die Einladung, John.«
»In den letzten zwei Monaten haben wir ein Phänomen in der Modewelt erlebt, das es in dieser Art noch nicht gegeben hatte.
Können Sie uns kurz darüber berichten?«
»Natürlich, John. Vor acht Wochen ging ein Blog online, der von einer Frau geführt wurde, die sich selbst als international
tätiger Trendscout für ein großes Modemagazin bezeichnete. Der Blog wurde schlagartig bekannt und extrem beliebt, weil er
den Eindruck erweckte, dass man bei der Entdeckung und Entwicklung von Trends ganz weit vorn dabei sein konnte.«
»Warum sagen Sie, dass er den Eindruck erweckte. Stimmte das denn nicht?«
»Nein, John. Auf diesem Blog ist schlichtweg alles gelogen. Die Frau, die diesen Blog schreibt, arbeitet nicht in der Modebranche.
Sie ist Stewardess.«
Ich fühlte mich, als steckte mein Kopf in einem großen Luftballon. Die Sicht nach außen war verzerrt, auch Geräusche kamen
nur gedämpft und verrauscht an mein Ohr. Nur Susan Walkers Stimme war klar und deutlich.
»Wie haben Sie das herausgefunden?«, fragte John Hunter.
Stefan ließ sich neben mir auf die Couch fallen und ergriff meine Hand.
Susan Walker grinste selbstgefällig. »Ach, John, das war nicht so schwer. Ihre Beiträge hatten nicht die Qualität, die man
von einem Profi erwarten darf. Daher lag der Verdacht nahe. Und ein bisschen Recherche hat mich dann zu ihrer wahren Identität
geführt.«
»Blöde Schlampe«, knurrte Stefan.
»Können Sie uns den Namen der Stewardess sagen?«, fragte Hunter.
Stefan drückte meine Hand so fest, dass ich aufschrie.
»Ich kenne ihren Namen, aber ich darf ihn leider im Moment nicht öffentlich machen.«
»Das ist ein echter Skandal, oder?«, fragte John Hunter.
»Nein«, sagte Susan mit breitem Lächeln. »Dazu war ihr Blog zu unbedeutend.«
John Hunter sagte noch etwas zu Susan, das ich nicht verstand, und drehte sich dann zu einer anderen Kamera, die sein Gesicht
in Nahaufnahme zeigte. Mir schien, dass er das Thema wechselte. Stefan stand auf und schaltete den Fernseher ab.
»Warum hat Thomas mir nichts davon gesagt?«, flüsterte ich ungefähr zehn Minuten und zwanzig Liter heiße Tränen später.
»Warum sollte er?«, fragte Stefan. »Er weiß doch gar nicht, dass es um dich geht.«
Schlagartig versiegte auch die letzte Träne. Natürlich. Stefan hatte recht. Weder John Hunter noch Susan Walker hatten meinen
Namen genannt. Thomas wusste nicht, dass ich Millie war. Für ihn hatte dieser Beitrag nichts mit mir zu tun. Es gab keine
Verbindung. Er hatte keinerlei Veranlassung gehabt, mir etwas davon zu erzählen.
»Stimmt«, sagte ich und zog die Nase hoch. Stefan reichte mir ein weiteres Taschentuch.
»Und er darf auch nie erfahren, dass ich Millie war.«
Stefan zuckte die Schultern. »Dann hoffen wir mal, dass die Anwälte den beiden Herzchen davon
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