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Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Titel: Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Reid
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katastrophalen Russlandfeldzugs von Napoleon sehr bewusst war, in die Sowjetunion einzufallen?
    Seine Ziele waren, von der Planung des Feldzugs im Jahr 1940 an, nicht die der herkömmlichen Geopolitik. Er wollte nicht bloß nützliche Gebiete besetzen und ein neues Machtgleichgewicht herstellen, sondern eine Kultur und eine Ideologie und, wenn nötig, ein ganzes Volk auslöschen. Seine Vision für die neu eroberten Territorien war, wie er bei den Tischgesprächen in seinen verschiedenen Kriegshauptquartieren darlegte, die eines riesigen Reiches, das sich von Berlin nach Archangelsk am Weißen Meer und bis nach Astrachan am Kaspischen Meer erstreckte. Das ganze Gebiet, trug er seinem Architekten Albert Speer vor, dürfe keine asiatische Steppe mehr sein, sondern müsse europäisiert werden:
    Bei unserer Besiedlung des russischen Raumes soll der »Reichsbauer« in hervorragend schönen Siedlungen hausen. Die deutschen Stellen und Behörden sollen wunderbare Gebäulichkeiten haben, die Gouverneure Paläste … Und um die Stadt wird auf 30 bis 40 Kilometer ein Ring gelegt von schönen Dörfern, durch die besten Straßen verbunden. Was dann kommt, ist die andere Welt, in der wir die Russen leben lassen wollen, wie sie es wünschen. 13
    Russische Städte sollten ihrer Wertsachen beraubt und zerstört werden (ein künstlicher See solle Moskau ersetzen), und man werde die entzückenden neuen Dörfer mit arischen Siedlern aus Skandinavien und Amerika bevölkern. Innerhalb von zwanzig Jahren, träumte Hitler, würden sich 20 Millionen von ihnen hier niederlassen. Die Russen – für Hitler die niedrigsten Slawen – sollten nach Sibirien deportiert, zu Leibeigenen gemacht oder schlicht ausgerottet werden wie die Eingeborenenstämme Amerikas. Die Niederschlagung jedes noch vorhandenen russischen Widerstands sei als sportliche Übung zu betrachten. Speer erinnerte sich an Hitlers Plan, alle paar Jahre einen kleinen Feldzug jenseits des Urals zu führen, um die Autorität des Reiches zu demonstrieren und die militärische Bereitschaft der Wehrmacht auf einem hohen Niveau zu halten. Wie es in einem späteren SS-Planungsdokument hieß, würden die stets mobilen Ostmarken des Reiches, ähnlich der North-West Frontier unter der britischen Kolonialherrschaft in Indien, »Deutschland jung erhalten«.
    Diese Vorstellung ist so surreal, dass man geneigt ist, sie nicht ernst zu nehmen. Welchen Sinn hatte es, ein Land zu besetzen, um es zu vernichten? Woher sollten die Gelder für die neuen Straßen und Städte kommen? Woher die Millionen williger Siedler? Woher die Soldaten, die einen halben Kontinent in die permanente Sklaverei zwingen würden? Für die nationalsozialistische Führung jedoch war all das mehr als bloß Träumerei. Im Juli 1940, Wochen nach dem Fall Frankreichs, befahl Hitler seinem Oberbefehlshaber des Heeres, Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch, und dessen Generalstabschef, Franz Halder, die Eroberung der Sowjetunion zu planen. Großbritannien könne gegenwärtig nicht besetzt werden, erklärte Hitler, und die einzige Möglichkeit, die britische Regierung zur Vernunft zu bringen und zum Friedensschluss zu veranlassen, ergebe sich durch die Ausschaltung der letzten Kontinentalmacht, die dem Reich prinzipiell feindlich gegenüberstehe. Von Brauchitsch und Halder widersprachen (wenn auch nicht in dem Maße, wie Halder nach dem Krieg behauptete), da sie es vorgezogen hätten, zunächst Großbritannien besiegt zu sehen. (»Barbarossa«, schrieb Halder am 28. Januar 1941 in seinem Tagebuch, »Sinn nicht klar. Den Engländer treffen wir nicht … Risiko im Westen darf nicht unterschätzt werden. Möglich sogar, daß Italien nach Verlust seiner Kolonien zusammenbricht und wir durch Spanien, Italien und Griechenland eine Südfront bekommen. Wenn wir dann gegen Rußland gebunden sind, wird die Lage weiter erschwert.« 14 ) Genauso skeptisch war Außenminister Joachim von Ribbentrop, der den Pakt mit Molotow für seine größte Leistung hielt; er wies darauf hin, dass die UdSSR immer noch gewissenhaft ihr Versprechen erfülle, Getreide und andere Güter zu liefern.
    Hermann Göring, Chef der Wirtschaftsplanung und zweitmächtigster Mann im Reich, machte sich Sorgen um Lebensmittel- und Arbeitskräfteknappheit. Aber Hitler befand sich auf dem Höhepunkt seiner Popularität und seines Ansehens und war es gewohnt, Untergebene einzuschüchtern: Die Zauderer verdrängten ihre Zweifel und akzeptierten das Unvermeidliche. Der

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