Blonde Engel sind gefährlich
auf der Stelle ein
Gedicht auf Sie verfassen .«
»Vielen Dank, Danny«, sie
lächelte leise. »Sie können sich auch sehen lassen. Ihr Schneider hat sich mit
dem Einsegnungsanzug wirklich Mühe gegeben .«
Wir stiegen ein, und ich fuhr
langsam los. Sie schlug zum Essen die Bayside Tavern vor. Mir war’s recht. Ich war froh, daß sie nicht
auf mein Hotel verfallen war, wo jeden Augenblick Tyler Morgan hereinplatzen
und unser Idyll empfindlich stören konnte. Die Bayside Tavern lag in einer Bucht ganz nah am Wasser. Als ich
den Wagen parkte, hörte ich leise Musik, die der Seewind vom Restaurant
heranwehte. Vielleicht hatte Annette nicht ohne Absicht diesen romantischen
Rahmen für unser Zusammensein ausgesucht, dachte ich hoffnungsvoll. Mein
Pulsschlag erhöhte sich merklich.
Wir betraten den dezent
beleuchteten Innenraum — eine Oase unaufdringlicher Eleganz. Der
Geschäftsführer verbeugte sich tief vor Annette und führte uns zu einem Tisch
an dem großen Panoramafenster mit Blick auf den Strand und das Meer. Die
Eiswürfel klickten in den Gläsern. Ich hatte den Wein ausgesucht, das Essen
bestellt und machte mich daran, die wohlverdiente Ruhe zu genießen. Es gibt
Genüsse, die — allen hochtrabenden Redensarten zum Trotz — nur mit Geld
zu bezahlen sind. Ein Rendezvous mit Annette in einer Imbißstube bei Boulette und Brötchen — unmöglich!
Ich zündete uns Zigaretten an
und sank behaglich in meinen tiefen Sessel zurück. »Ich habe einen ziemlich
miesen Tag hinter mir«, berichtete ich. »Aber dieser Abend macht alles wieder
gut .«
Annette lächelte mitfühlend.
»Waren Sie bei Gus Terry ?«
Ich nickte. »Wir haben uns ein paar
Grobheiten zugespielt wie Pingpongbälle. Aber zum Punkt Dawn Damon hatte er
leider nichts Nützliches zu sagen .«
»Sie müssen mich nicht für
dümmer halten, als ich bin, Danny«, bemerkte sie sachlich. »An der Geschichte
ist sehr viel mehr, als Sie mir erzählt haben, nicht wahr? Als ich Ihnen heute vormittag sagte, daß das
Jackenkleid von der rothaarigen Dawn Damon gekauft worden sei, sind Sie beinahe
in die Luft gegangen. Und dann haben Sie was von einer Blondine namens Jeri in
Ihren Bart gemurmelt...«
Sie legte leicht ihre Hand auf
die meine. »Sie mögen mich jetzt neugierig nennen. Ich möchte sehr gern wissen,
was wirklich geschehen ist, das gebe ich zu. Typisch weiblich, nicht wahr? Aber
wenn Sie zu mir Vertrauen haben, kann ich Ihnen vielleicht sogar helfen. Ich
kenne diese Stadt wie meine eigene Handtasche .«
Ich dachte nach. Die Zeitungen
hatten in allen Einzelheiten über den Mord an Linda Morgan berichtet, und
Riesenschlagzeilen hatten einige Tage später in die Welt hinausposaunt, daß für
die ersten drei Morde ein Geständnis von einem notorischen Sittenstrolch
vorlag. Also war der Fall kein Staatsgeheimnis mehr, und es konnte nichts
schaden, wenn ich sie einweihte. Ich machte auch kein Hehl daraus, daß das
Etikett aus dem Jackenkleid bisher mein einziger Hinweis war.
»Das arme Ding«, sagte sie
leise. »Wie schrecklich! Mir wurde ganz schlecht, als ich es in der Zeitung
las. Wenn ich kann, helfe ich Ihnen wirklich gern, Danny. Bis jetzt allerdings
können wir wohl nur die Daumen drücken, daß das Mädchen mit den roten Haaren
morgen auf der Party von Gus auftaucht .«
Wir schwatzten während des
Essens über Gott und die Welt, aber als zum guten Schluß wieder Drinks vor uns
standen, merkte ich, daß meine Geschichte sie nicht losgelassen hatte.
»Ich muß immer an die arme
Linda Morgan denken«, sagte sie bedrückt. »Weshalb mußte sie sterben? Hatte sie
Feinde, Danny ?«
Ich zuckte hilflos die Achseln.
»Wenn ich das wüßte... Mein Freund Johnny und seine blonde Mieze haben ihren
Schlachtplan so sorgfältig ausgeheckt, daß sie doch wohl großen Wert darauf
legten, Linda unschädlich zu machen .«
Ich zündete mir eine Zigarette
an und sah nachdenklich aus dem Fenster. Ein Mann kam eilig über den Strand auf
die Bayside Tavern zu. Ein
Gast konnte es kaum sein — nur der Kücheneingang ging auf den Strand hinaus.
Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich wußte nicht, wo ich ihn unterbringen
sollte.
»Wie sah denn dieser
Revolver-Johnny aus ?« erkundigte sich Annette.
»Untersetzt, breitschultrig.
Er...« Das letzte Wort blieb mir in der Kehle stecken. Ich sprang auf. »Das war
er !« Mit ein paar Sätzen war ich an der Tür, während
Annette mir verständnislos nachstarrte.
Eine Pendeltür zur Küche lag am
entgegengesetzten
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