Blonde Engel sind gefährlich
Der Strand war wie leergefegt. Künstlerpech! Ich hieb mit der Faust
gegen die Wand. Es half zwar nichts mehr und tat gemein weh, aber es war das
einzig wirksame Mittel, um nicht vor Wut auf der Stelle tot umzufallen. Dann
begab ich mich wieder zu Obister.
»Nun, sind Sie wieder normal,
Boyd ?« fragte er eisig.
»Ich koche !« verkündete ich beruhigend. »Ich hab’ mich zu lange mit Ihrer werten Person
aufgehalten. Inzwischen ist der Heini über die Feuerleiter entwischt .«
»Sie gehören in psychiatrische
Behandlung«, sagte er wütend. »Anders wird sich Ihre krankhafte Phantasie nicht
zähmen lassen. Vielleicht spielen Sie aber auch nur den wilden Mann, um Mr.
Morgan davon zu überzeugen, daß Sie das Geld auch verdienen, das er Ihnen
leichtsinnigerweise schon gezahlt hat .«
»Darf ich mich höflich
erkundigen, was Sie in dieser witzigen Liebeslaube verloren haben ?«
»Zufälligerweise gehört das
Restaurant mir«, versetzte er eisig. »Oder haben Sie etwas dagegen ?«
»Ich denke, Sie sind Morgans
persönlicher Vertreter an der Westküste ?« fragte ich.
»Das schließt doch nicht aus,
daß ich auch noch andere geschäftliche Interessen habe. Wenn Sie wollen, können
Sie sich bei Mr. Morgan gern danach erkundigen .«
»Worauf Sie sich verlassen
können !« knurrte ich. »Es wird ihn sicher sehr
interessieren, zu erfahren, was der Mörder seiner Nichte bei Ihnen wollte .«
Obister schüttelte den Kopf.
»Dieser Mann, von dem Sie ständig faseln — vorausgesetzt, daß er nicht nur in
Ihrer Phantasie besteht — wollte bestimmt nicht zu mir. Vielleicht hatte er ein
Rendezvous mit einem der Küchenmädchen. Im Eifer des Gefechts hat er sich eben
in der Tür geirrt. So was kann jedem passieren .« Er
lächelte. Es war ein unangenehmes Lächeln. »Selbst einem Hornochsen Ihres
Kalibers dürfte es nicht entgangen sein, daß ich Damenbesuch erwarte .«
Es hatte keinen Zweck, sich
jetzt noch weiter mit ihm herumzustreiten. Ich zuckte die Achseln und wandte
mich zur Tür.
»Glauben Sie nicht, daß die
Sache mit einem Schulterzucken abgetan ist, Boyd. Ich werde dafür sorgen, daß
Mr. Morgan ein ausführlicher Bericht über Ihr unverzeihliches Betragen zugeht .«
»George...« Ich sah über die
Schulter noch einmal zu ihm zurück. »Wissen Sie was? Sie können mir...« Ich gab
ihm einige wohlmeinende, freundschaftliche Ratschläge. Allerdings hatte ich
nicht den Eindruck, daß sie auf sehr fruchtbaren Boden fielen. Als ich aufhören
mußte, um nach Luft zu schnappen, sah er aus wie ein Stier, dem das rote Tuch
um die Ohren flattert.
Ich stieg langsam die Treppe
hinunter. Auf dem zweiten Treppenabsatz blieb ich stehen und lauschte. Hohe Stöckelabsätze kamen die Stufen heraufgeklappert.
Frauen interessieren mich bekanntlich grundsätzlich — und eine Frau, die sich
die Mühe machte, meinen kollernden George in seinem Dachkämmerchen zu besuchen,
mußte besonders sehenswert sein, dachte ich mir.
Gleich darauf kam sie in Sicht.
Als sie mich sah, schrie sie leise auf. Es war ein aufregend gut gebautes
weibliches Wesen mit honigblondem Haar in einem hautengen Silberlamékleid, das
ihre aufreizenden Kurven ebenso erfreulich zur Geltung brachte wie eine zwei
Nummern zu kleine Dienstmädchenuniform.
»Da schau her — die liebe
Tina«, sagte ich freundlich. »Das ist wirklich eine Überraschung !«
Sie starrte mich einen
Augenblick fassungslos an, dann drängte sie sich an mir vorbei und rannte die
Treppe hinauf. Die Welt ist klein, sagten die beiden Ameisen, als sie sich auf
dem Golfball trafen. Langsam ging ich weiter. Tina hatte mich tief enttäuscht.
Sie hatte also auch am Freitagabend frei!
In der Küche hatte sich ein
Empfangskomitee gebildet. Ich sah mich einer Phalanx grimmiger, mit Schlachtermessern,
Fleischkeulen und Suppenkellen bewaffneter Männer gegenüber. Die Leitung der zum Äußersten entschlossenen Mannen hatte der
schmallippige Geschäftsführer übernommen.
»Ich hätte gern«, sagte er mit
unheilverkündender Ruhe, »eine Erklärung von Ihnen .«
»Eine Erklärung ?« fragte ich vorsichtig zurück.
»Einer meiner Kellner hat ein
blaues Auge«, sagte er kalt. »Mein Küchenchef weint hysterische Tränen in die
Crêpe Suzette, und ein Pikkolo hat sich den...« Er schluckte krampfhaft. »Er
hat sich schwere Verbrennungen zugezogen. Von dem zerbrochenen Geschirr, von
dem verdorbenen Essen, von der Panik, der Geschäftsschädigung will ich gar
nicht reden .«
»Ach, das meinen Sie«,
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