Blonder Kugelfang
Pyjama,
eine Kaffeetasse vor sich, saß sie am Küchentisch und machte ein Gesicht, als
stünde der Weltuntergang unmittelbar bevor. Ich schenkte mir Kaffee ein und
ließ mich ihr gegenüber nieder.
» Genausogut könnte ich auch mit einem Monster zusammenleben«, seufzte sie. »Ihr Gesicht
sieht heute noch viel schlimmer aus — direkt pflaumenblau!«
»Ihres reißt mich auch nicht
gerade zu Begeisterungsstürmen hin«, konterte ich.
»Ich habe ja auch einen Kater«,
antwortete sie mit Würde.
»Als ich gestern
nacht zurückkam, haben Sie sich die Seele aus dem Leib geschnarcht«,
berichtete ich genüßlich .
»Und jetzt möchte ich am
liebsten den Geist aufgeben«, klagte sie. »Hoffentlich wird mein Wunsch
erhört.«
»Sie hätten mir von Samanthas
schlechten Gewohnheiten erzählen sollen«, rügte ich.
Sie stützte den Kopf in die
Hand. »Wie haben Sie das herausgekriegt?«
»Indem ich mir gestern nacht noch einmal ihr Zimmer vorgenommen habe«,
berichtete ich. »Dabei habe ich die Spritze und die leere Ampulle gefunden.
Deshalb ist Samantha auch ausgerissen, stimmt’s?«
»Kann sein«, antwortete sie
dumpf.
»Seit Art Stillmans Tod hatte sie keine Quelle mehr.«
»Es gibt noch andere
Lieferanten«, sagte sie. »Aber ich kenne keine.«
»Seit wann ist sie süchtig?«
»Schon seit ich sie kenne. Am
Anfang war es nicht so schlimm. Sie schwor, sie würde es sich abgewöhnen, wenn
wir gemeinsame Sache machten, und ich habe ihr lange Zeit auch geglaubt.
Vielleicht zu lange. Haben Sie jemals mit einem Süchtigen zusammengelebt, Rick?«
»Nein.«
»Ich kann’s Ihnen nicht
empfehlen.« Sie nahm einen Schluck Kaffee.
»Die dreistesten Lügen werden
einem mit strahlendem Gesicht vorgesetzt. Dann kommen die Tränen und
Depressionen, anschließend die Versprechungen und guten Vorsätze. Am Ende langt
man wieder bei den Lügen an, und der ganze Kreislauf beginnt von neuem.«
»Haben Sie nicht fachmännische
Hilfe für sie gesucht?«
»Anfangs schon. Aber dann wurde
sie berühmt, und das machte es sehr viel schwieriger, Rick. Es nimmt sich gut
aus, auf der Rockszene, wenn man verkündet, man wäre mal süchtig gewesen, hätte
sich aber entwöhnt. Aber wenn bekannt wird, daß man heimlich immer noch fixt,
klingt das schon anders. Kein Agent läßt sich mehr mit Ihnen ein, weil er
befürchten muß, die Leute könnten ihm nachsagen, er sei mit Ihren schlechten
Gewohnheiten einverstanden.«
»Art Stillman hat sie also mit Heroin versorgt«, überlegte ich. »Sie kaufte von ihm, bis er
starb. Was glauben Sie, woher sie jetzt ihre Ration bezieht?«
»Herrgott, wie soll ich das
wissen?«
»Wahrscheinlich von einem oder
mehreren der Bekanntschaften, die sie an dem Wochenende mit Art Stillman geschlossen hat«, tippte ich.
» Bonetto ?«
»Vielleicht. Oder auch Langan .«
»Gütiger Gott!« wisperte sie.
»Aber wohin sie auch wollte, mittlerweile
ist sie dort.«
Tracy funkelte mich an. »Und
was soll das schon wieder heißen?«
»Daß es keinen Sinn hat, wenn
Sie sich große Sorgen machen«, antwortete ich. »Wenn ihr etwas Schlimmes
zustoßen kann, ist es wahrscheinlich schon geschehen. Und wenn nicht, ist sie
wahrscheinlich sicher aufgehoben.«
»Wissen Sie was?« fragte sie
wütend, »im Vergleich zu Ihnen war Kassandra die reinste Optimistin.«
» Gestern
abend habe ich noch Benny Langan besucht«,
erzählte ich. »Er tätowiert seine Mädchen selbst.«
»Wollen Sie damit sagen, er hat Samantha diesen ordinären
Skorpion verpaßt?«
»Weil sie ihn darum bat. Art Stillman und sie behandelten das Ganze als guten Witz. Langan war das nur recht, er geilt sich daran auf.«
»Glauben Sie ihm?«
»Es ist mir bestätigt worden«,
berichtete ich. »Von Angela Broughton . Sie war dabei
und sah zu.«
»Samantha muß völlig verrückt
gewesen sein!«
»Oder high mit Heroin. Wenn Sie mir
früher von ihrer Sucht erzählt hätten, wäre mir das eine Hilfe gewesen. Gibt es
noch mehr, was Sie mir verschweigen?«
Mit einem stählernen Funkeln im
Blick setzte sie sich auf. »Moment mal, Veilchenauge, glauben Sie wirklich, ich
halte noch mit etwas hinterm Berg — nach allem, was uns beiden gestern
zugestoßen ist?«
»Vielleicht nicht«, räumte ich
widerwillig ein. »Gibt’s hier auch mal Frühstück?«
Sie schilderte mir, was ich mit
meinem Frühstück tun könne, und das klang ausgesprochen unappetitlich. Deshalb
ging ich zu meinem Auto hinaus, fuhr nach Westwood Village und frühstückte dort. Dann fuhr
Weitere Kostenlose Bücher