Blondes Gift
Entführerin behandelte. Auch wenn sie ihm einen Kopfstoß ins Gesicht verpasst, eine Rippe angeknackst, seinen Brustkorb gequetscht und seine Zunge fast in zwei Teile gespalten hatte. Er fühlte sich schrecklich, weil er sie geküsst hatte. Es war, als hätte er versucht, eine Frau bei der ersten Verabredung zu vergewaltigen.
»Ich weiß nicht, warum du weinst.«
»Du hast mir nicht geglaubt. Du hast gelogen; du hast mir zugehört, als würdest du mir glauben. Aber wenn du mir geglaubt hättest, hättest du das nicht getan.«
Jack setzte sich auf und sah sie an. Kelly hob ihre freie Hand und legte sie auf seine Brust, fast so, als würde sie einen weiteren Kuss erwarten.
»Keine Angst – ich versuch’s nicht noch mal. Es gibt also keinen Grund für eine einstweilige Verfügung.«
Sie starrte ihn an und durch ihn hindurch. Ihre Augen waren voller Tränen, ihr Gesicht von Erschöpfung gezeichnet. Ihre Lippen zitterten leicht.
»Moment. Du hast Angst, dass ich dich meinerseits vergiftet habe. Als ich dich geküsst habe. Das ist es, nicht wahr?«
»Nein«, sagte sie leise.
»Was dann?«
»Du glaubst mir immer noch nicht. Dabei warst du meine letzte Hoffnung! Ich kann nicht länger davonlaufen. Ich hab genug von der Rennerei, dem ständigen Reden und der Geheimniskrämerei …« Da war er wieder, Kellys irischer Akzent. »Verstehst du denn nicht?«
»Wovon redest du?«
»Die Mary Kates sind in dir! In diesem Moment! Sie vermehren sich! Ich habe die anderen alle getötet, um auf etwas hinzuweisen. Aber du solltest derjenige sein, der sich für mich einsetzt, der das alles erklären kann.« Sie berührte seinen Hals. »Jetzt sind wir beide tot.«
Aber Jack schien nicht zuzuhören.
»Wie meinst du das: Alle anderen hast du getötet?«
2:03 Uhr
Zurück zum Sheraton
M ensch, wer hätte das gedacht. Los, ruft die Zeitung an, sagt Radio und Fernsehen Bescheid: Der gute alte Kowalski kann endlich mal ein bisschen verschnaufen.
Die Taxigesellschaft hatte ihm die Adresse gegeben, zu der die Frau gefahren war, und es handelte sich um das Sheraton am Rittenhouse Square, buchstäblich um die Ecke, einen Block die Locust Street hinauf. Es war zu schön, um wahr zu sein. Entweder das, oder Philadelphia war eine lächerlich kleine Stadt. Während er hinlief, kam ihm eine Idee. Er rief seine Verbindungsoffizierin an.
»Jetzt bin ich aber fast schon beeindruckt.«
»Warte noch damit. Kannst du eine Verbindung zwischen den Passagieren sämtlicher Flüge nach Philadelphia von heute Abend und den Gästen des Sheraton herstellen?«
»Bleib dran.«
»Es interessieren ausschließlich weiße Männer, die alleine reisen und die eingecheckt haben nach …«
»So weit bin ich auch schon. Warte.«
Kowalski ging die Locust Street hinauf. Ein hübscher Block, der an den Rittenhouse Square angrenzte. Die eine Straßenseite beanspruchte das Sheraton für sich, doch die andere hatte sich noch was vom Charme des 19. Jahrhunderts bewahrt. Und hey, sieh
mal da. Das Curtis Institute of Music. Wenn er sich nicht irrte, hatten sie dort Die Glücksritter mit Eddie Murphy und Dan Aykroyd gedreht. Als Teenager war das eine seiner Lieblingskomödien gewesen. Heute würde er sagen, dass ihm der Film gefallen hatte wegen seiner intelligenten Auseinandersetzung mit Klassengegensätzen und der Wandelbarkeit der Identität. Aber als Jugendlicher mochte er ihn, weil darin Jamie Lee Curtis’ Titten zu sehen waren.
Seine Verbindungsoffizierin war wieder dran.
»John Joseph Eisley, genannt ›Jack‹. Er befindet sich in Zimmer sieben null zwei.«
Gott, was haben wir nur vor dem Patriot Act gemacht? Als er den Knopf drückte, um das Gespräch zu beenden, hatte Kowalski bereits die Eingangstüren passiert und war auf dem Weg zum Empfang.
»Hey, Kollege. Können Sie das für mich aufbewahren? Ich hab da oben einen Typen, der muss drüben in Bala Cynwyd zu einer Radiostation, er muss in … oh, heilige Scheiße, ungefähr einer Stunde da sein. Könnte sein, dass ich zwei starke Hände brauche, um ihn aus dem Bett zu bugsieren.«
Der Angestellte nickte, ohne ihn richtig anzusehen. Er verstaute die Sporttasche hinter der Rezeption.
»Ich hol sie in fünf Minuten wieder ab. Zusammen mit einem sehr müden Immobilienexperten. Mann, die karren die Leute wirklich um diese Zeit in die Sendung. Wer ist jetzt überhaupt noch wach und hört zu?«
Kowalski erwischte eine Fahrstuhltür, die sich gerade
schloss, und steckte schnell die Hand hinein. Doch
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