Blondes Gift
jemand von drinnen hatte schon auf einen Knopf gedrückt; und die Türen öffneten sich wieder.
»Vielen Dank.«
»Kein Problem.«
Es war ein Hotelangestellter vom Sicherheitsdienst, der ein schwarzes rechteckiges Namensschild trug, auf dem in weißen Lettern VINCENT stand.
»Welcher Stock?«
2:05 Uhr
Sheraton, Zimmer 702
K elly fing wieder zu weinen an, und Jack konnte einfach nur den Arm ausstrecken, sie festhalten und hoffen, dass sie die Geste nicht mit einem weiteren Stoß in die Rippen honorierte. Sie legte ihren Kopf auf seine Brust. Jack tätschelte mit der freien Hand ihren Rücken, während er versuchte, sein Gewicht ein wenig zu verlagern. Sein linker Arm fing an zu kribbeln.
»Ich habe viele Leute umgebracht.«
Jack fragte sich, was man darauf erwidern konnte. Komm schon, Kopf hoch. Wie viel ist »viele«? Wird schon nicht so schlimm sein, oder?
»Ich bin also nicht die erste Person, die du mit fluoreszierendem Toxin vergiftet hast.«
»Nein, Jack. Das meine ich nicht. Du glaubst mir immer noch nicht.«
»Was meinst du dann?«
Sie ergriff seine beiden Unterarme und drückte sie. »Hör mir zu. Ich bin mit einem Ortungssystem im Teststadium infiziert. Wenn ich länger als zehn Sekunden alleine bin, sterbe ich. Und es war kein Unfall. Man hat mir das absichtlich angetan. Mein Vorgesetzter. Der Boss. Unser Labor wurde nicht überfallen. Es gab keine Sabotage. Er hat mir das angetan.«
»Ich dachte, du hättest gesagt...«
»Die letzten dreizehn Tage«, sagte sie, indem sie ihn ignorierte, »bin ich quer durch die ganze Welt gereist, zunächst Irland, dann hier. Währenddessen habe ich immer wieder fremde Männer geküsst, manchmal mit ihnen gevögelt. Alles, was nötig war, um nicht alleine zu sein. Aber das ist auch eine Botschaft an den Boss. Er soll wissen, dass ich noch am Leben bin und alles in meiner Macht Stehende tun werde, um ihn zur Strecke zu bringen, selbst wenn ich dabei eine Spur aus Leichen hinter mir lasse. Denn irgendwann wird mir jemand zuhören. Mir Aufmerksamkeit schenken. Jemand Wichtiges. Jemand, der den Boss kennt und der weiß, wie man ihn ausschaltet. Ich dachte, du würdest mir helfen. Aber du bist dazu nicht mehr in der Lage. Bald wirst du den Toten Gesellschaft leisten, und das nur, weil du mich geküsst hast. Nein, nicht
deshalb. Weil du mich geküsst und mir nicht geglaubt hast. Glaubst du mir jetzt, Jack?«
Später würde Jack auf diesen Moment zurückblicken und begreifen, dass sein Albtraum erst in diesem Moment wirklich begann. Nicht in dem Moment, als er infiziert wurde.
In dem Moment, als er anfing zu glauben .
2:08 Uhr
Sheraton, siebter Stock
K owalski war leicht genervt, als er merkte, dass er und Mr. Vincent, der Sicherheitschef, ins selbe Stockwerk fuhren – ins siebte. Noch ein Hindernis. Wahrscheinlich würde der Typ auch noch denselben Flur entlanglatschen, und um auf Nummer sicher zu gehen, müsste Kowalski ihn außer Gefecht setzen. Hörte das denn nie auf? Dieser schier endlose Aufmarsch von Opfern? Es schien, als hätte Gott auf ihn herabgeschaut und gesagt: Oh, ich verstehe, Kowalski – es gefällt dir, links und rechts die Leute niederzumähen. Schön, dann werd ich dir noch ein paar mehr schicken, um die du dich kümmern kannst. Ich hoffe, du hältst durch!
Der Fahrstuhl erreichte den siebten Stock. Ganz
Gentleman, machte Kowalski eine höfliche Geste mit dem Arm, doch Mr. Vincent schlug sein Angebot aus.
»Sie zuerst, Sir.«
Großartig. Kowalski trat aus dem Aufzug und las den Wegweiser , der an der Wand angebracht war. Das Zimmer, zu dem er wollte, befand sich links den Gang hinunter.
Mr. Vincent fragte: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich verschaffe mir nur einen Überblick, danke.«
Er hoffte, der Sicherheitschef würde die Achseln zucken und verschwinden, um das zu tun, weshalb er verdammt noch mal hochgekommen war. Vielleicht gab es im Bereich mit den Automaten nicht mehr genug Diät-Cola. Vielleicht waren im Automaten mit den Snacks die Karamelltörtchen alle.
»Welches Zimmer suchen Sie?«
Dieser Mistkerl war ganz schön hartnäckig.
»Es ist hier runter. Mann, nach dem dritten Apfel-Martini hätte ich wirklich Schluss machen sollen, wissen Sie? Aber die sind so verdammt gut. Mein Chef wird mir morgen den Arsch aufreißen . Er liegt da hinten und pennt, wie sich das gehört. Und ich bin hier.«
Mr. Vincent lachte in sich hinein und nickte, aber er rührte sich nicht von der Stelle. »Sie können bestimmt noch etwas Schlaf
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