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Blondine ehrenhalber

Blondine ehrenhalber

Titel: Blondine ehrenhalber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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noch einmal mit ihr verabreden.
    Als sie um die Ecke von Chicks Block bogen, bemerkte Frank als Erste die aufblitzenden Lichter. Der Rettungswagen stand direkt vor Chicks Haus. Amanda sog mechanisch die Luft ein. Frank stürzte auf das Sirenengeheul zu und zog ihre Schwester am Handgelenk hinter sich her. Sie erreichten die Polizeisperre gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Chicks blaue, starre Leiche auf einer Bahre zum Rettungswagen gerollt wurde. Die Polizisten hatten sie nicht einmal zugedeckt. Eine Schande — ein stechender Schmerz der Trauer erfüllte Amanda.
    Frank rief dem Sanitäter zu: »Selbstmord?«
    Er hievte die Bahre in den Rettungswagen und schrie zurück: »Nein.« Amanda war erleichtert. Nicht dass ihr Ego so groß gewesen wäre, aber bei einem Selbstmord war die Seele dazu verurteilt, zwischen dieser Welt und der Astralebene auszuharren, bis die natürliche Lebenserwartung erreicht war — ein schreckliches, grausames Zwischenstadium.
    Frank brüllte erneut: »Ein Unfall?«
    Der Sanitäter gab keine Antwort. Er zog die Türen zu und der Wagen brauste davon. Die Schwestern schauten ihm nach, bis er verschwunden war.
    »Ich weiß, was passiert ist, Frank«, sagte Amanda sanft.
    »Deine Intuition kann mir im Moment gestohlen bleiben«, gab Frank zurück.
    Amanda schwieg. Aber in ihrem Innern spürte sie es. In dem Augenblick, als sie die Leiche sah, wusste sie es.
    Chicks Tod war kein Unfall. Jemand hatte ihm das Leben genommen. Und dieser Jemand war nicht Gott.

Kapitel 7

    Leichen. Eine Leiche im Leben zu sehen reichte. Vor Chick hatte Frank zwei Tote gesehen. Sie hatte die leblosen Körper ihrer Eltern in der Wohnung entdeckt. Amanda gegenüber hatte sie diesen Moment als riesiges, zermalmendes Gefühl beschrieben, das einem die Luft abschnürte. All ihre bisherige emotionale Sicherheit, Wärme und persönliche Entfaltung schrumpften — wie eine verschrumpelte alte Kaffeebohne — zu einem harten Klümpchen Bitterkeit zusammen, das sich als ständige Mahnung in ihrem Gehirn einnistete. Wenn sie ganz besonders einsam war, spürte Frank das Klümpchen unter ihrer linken Augenbraue stark pulsieren.
    »Du hast noch nie einen Toten gesehen«, sagte Frank zu ihrer Schwester.
    »Nein«, antwortete Amanda.
    Wenn es bei solchen Angelegenheiten eine Jungfräulichkeit gäbe, hätte Amanda jetzt ihre Leichen-Unschuld verloren. In der Nacht, als Frank Mutter und Vater entdeckte, hatte Amanda eine Verabredung. Frank rief hundertmal bei ihr an, bis Amanda endlich abhob, um die schlimmste Nachricht ihres Lebens zu erfahren. Gott sei Dank musste Frank diesmal niemanden verständigen.
    »So ein Elend«, sagte Amanda.
    »Ja, Totsein ist so ungefähr das größte Elend, das einem zustoßen kann.«
    »Nicht Totsein. Den Toten zu sehen.«
    »Glaub mir«, sagte Frank, »Chick ist noch viel elender dran als wir.«
    Die Schwestern machten sich schleunigst auf den Rückweg ins RTB. Amanda verzog sich hinter die Theke, um Bohnen zu mahlen, Pfund für Pfund. Frank zählte das Geld in der Kasse fünfmal nach, bis sie sicher war, dass sie es richtig zusammengerechnet hatte. Sie mussten irgendetwas tun, um den Anblick von Chick auf dieser Bahre — steif, blau und in kniender Haltung — aus dem Kopf zu bekommen. Schauderhaft.
    »Wir müssen das Café öffnen«, bemerkte Frank.
    »Ein Mensch ist tot«, sagte Amanda.
    »Das tut mir auch sehr Leid, aber wir müssen den Laden aufmachen. Noch drei Tage geschlossen zu haben, können wir uns nicht leisten. Wir können uns nicht einmal leisten, weitere drei Stunden geschlossen zu haben. Obwohl ich nicht weiß, was wir den Leuten erzählen sollen, wenn sie hier hereinspazieren.« Frank hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nur an sich dachte und an das Romancing the Bean. Und Amanda hatte Recht: Ein Mensch war tot. Sollten sie einen Trauergottesdienst finanzieren? Mit welchem Geld?
    »Wir müssen etwas für ihn tun«, sagte Amanda. »Ich könnte einige Worte sagen, eine Art Lobesrede halten.« Sie räusperte sich. »Charles Peterson war ein netter, ein bescheidener Mann. Er... ähm, hatte sehr lange Beine.«
    Frank schüttelte den Kopf. »Du weißt doch überhaupt nichts über ihn.«
    »Ich empfinde etwas für ihn. Ich trauere noch den Möglichkeiten nach«, sagte Amanda. »Jemand kann einem doch wichtig sein, selbst wenn man ihn nicht genau kennt.«
    »Über mir hängt ein Fluch, Amanda«, sagte Frank. »Ganz sicher. Alles, was ich tue, geht schief. Aber ich gebe die Hoffnung

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