Blood and Chocolate - Curtis Klause, A: Blood and Chocolate - Blood and Chocolate
etwa nicht? Tja, um eine Königin zu krönen, musste man sie erst einmal fangen.
Sie sprang an ihm vorbei den Gang entlang, den er selbst geschaffen hatte, durch den Tunnel aus Fell und hinaus in den Wald. Sie rannte wie der aus Sternen bestehende Wolf des Nordens am Himmel, der mit einem großen Sprung über die Erde hinwegsetzen kann. Die Gräser, die sie zertrampelte, verliehen der Nachtluft den scharfen Geruch von Freiheit. Doch hinter sich hörte sie Gabriel herandonnern, der die Verfolgung aufgenommen hatte.
17
Vivian kletterte nackt durch ihr Schlafzimmerfenster und fiel auf ihr Bett. Sie hatte im Gebüsch im Garten hinter dem Haus ihre menschliche Gestalt angenommen, bevor sie die Regenrinne zum Verandadach erklomm. Ein rosiges Schimmern färbte den Himmel im Osten. Sie hoffte, dass die Nachbarn keine Frühaufsteher waren.
Ihre Flucht von der Prüfung schien eine Ewigkeit her zu sein. Sie musste wie der Wind gelaufen sein, um Gabriel abzuhängen, doch sie hatte erst angehalten, um Atem zu schöpfen, als sie ihn längst nicht mehr hinter sich gehört hatte. Sie hatte sich in einer flachen Höhle in der Nähe eines felsigen Kammes versteckt, bis sie sich sicher war, dass Gabriel ihre Spur verloren hatte. Dann erst hatte sie sich auf den Heimweg gemacht. Sie war noch nie so weit gerannt. Es hatte die ganze Nacht gedauert.
Ihre Handflächen und Fußsohlen waren blutig, und ihr Körper schmerzte an unzähligen Stellen. Behutsam humpelte sie ins Badezimmer und drehte die Dusche so heiß auf, wie sie es nur aushielt, und tränkte ihren Körper, ihr Gesicht und ihre Haare, als versuchte sie, die letzten zwölf Stunden fortzuwaschen. Wie konnte ich Astrid das antun? , fragte sie sich immer wieder verzweifelt.
Esmé und Rudy waren noch nicht zu Hause, doch sie würden bald eintreffen, da war sie sich sicher. Nach der Feier blieben sie wahrscheinlich lange genug, um die Toten an einem abgelegenen Ort zu begraben, und würden sich dann auf den Heimweg machen. Sie drehte die Klimaanlage in ihrem Zimmer auf und sperrte ihre Tür ab. Wie konnten sie zulassen, dass sie sich derart verhielt? Wie konnten sie es noch dazu billigen?
Sie zog sich die Decke über den Kopf, doch an Schlaf war nicht zu denken. War sie wirklich dazu verpflichtet, Gabriels Weibchen zu werden, oder bedeutete ihr Sieg im Kampf lediglich, dass sie sozusagen einen Anspruch darauf hatte? Konnte sie die Rolle an jemanden übertragen? Vielleicht könnte sie Astrid ernennen. Sie kicherte, der Hysterie nahe.
Verfluchter Mond, warum wollte Gabriel sie? Da er nun der Rudelanführer war, würden sich sogar manche der gepaarten Weibchen mit ihm hinter die Büsche stehlen. Er konnte eine der anderen Gemeinschaften aufsuchen und sich ohne weiteres eine Frau besorgen.
Vivian schlug aufgeregt die Augen auf. Das würde sie vorschlagen. Das Rudel würde doch gewiss nicht dulden, dass er sich gegen ihren Willen mit ihr paarte, oder? Sie entspannte sich und schloss erneut die Augen. Schlaf hüllte sie in eine wohltuende Watteschicht ein.
Als Vivian erwachte, war es draußen dunkel. Im Haus herrschte Stille. Sie hatte den Tag verschlafen. Verschwommen erinnerte sie sich daran, schon viel früher
halb aufgewacht zu sein, als jemand an ihrem Türknauf rüttelte. Es musste Esmés Stimme gewesen sein, die ihren Namen gerufen hatte. Ich stehe in einer Minute auf , hatte sie sich gesagt, sich dann umgedreht und wieder das Bewusstsein verloren.
Als sie das nächste Mal die Augen aufschlug, war es Morgen, und jemand klopfte hartnäckig an ihre Zimmertür.
»Was ist?«, rief sie wütend.
»Stehst du auf?«, fragte Esmé.
»Nein.«
»Wir müssen miteinander reden.«
»Nein, müssen wir nicht.«
»Sieh mal, es ist schon okay«, sagte Esmé. »Es ist dir peinlich, dass du weggelaufen bist. Das versteht jeder. Die Ereignisse haben dich überwältigt. Du bist jung. Du bist an Jungs gewöhnt. Ein Mann ist etwas völlig anderes. Aber du bist Frau genug, um mit ihm fertigzuwerden. Das weiß ich, Baby. Du bist mein Mädchen.«
Oh nein, sie hatte das alles vollkommen falsch verstanden , dachte Vivian. Mach dir nicht die Mühe, mir zu erzählen, wie es Astrid geht und ob ich sie für den Rest ihres Lebens zum Krüppel gemacht habe. Erzähl mir nicht, wie Bucky damit klarkommt, dass er einen Kumpel umgebracht hat.
»Ich habe nicht vorsätzlich an einem Wettkampf teilgenommen, und ich will Gabriel nicht, also scher dich zum Teufel, Mom«, antwortete sie
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