Blood and Chocolate - Curtis Klause, A: Blood and Chocolate - Blood and Chocolate
schwarz
im Mondschein. Sie war schwach, sie hatte verloren, und allein deshalb wollte Vivian sie umbringen.
Um sie herum stimmte ein Rudelmitglied nach dem anderen in ein gemeinsames Heulen ein. Es wurde lauter, immer lauter, bis der Lärm bis zu den Sternen anschwoll. Vivian schüttelte den Kopf. Sie wünschte, sie würden aufhören. Warum mussten sie jetzt diesen Krach machen? Sie duckte sich zum Sprung.
Auf einmal war ein Körper im Weg, dann noch einer und noch einer. Sie befand sich in einem Kreis aus rennenden Wölfinnen. Verwirrt drehte sie sich hierhin und dorthin. Sie liefen im Kreis um sie herum, als handele es sich um ein Kinderspiel – Tante Persia, Jenny, Renata, Magda, Minerva, Odessa, Sybil, Flavia, immer mehr und mehr. Sie wollte über ihre Köpfe hinwegsetzen, hin zu Astrid, doch sie wusste nicht mehr, in welche Richtung sie sich bewegen musste.
Da standen sie still.
Hinter ihnen erkannte Vivian die Männchen, die reglos dastanden. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Was wollen sie von mir? , wunderte sie sich, und allmählich verdrängte Angst ihre Wut. Am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen, doch sie war in der schweren, durchscheinenden Nacht gefangen wie eine Fliege in Bernstein.
Ich habe etwas Schreckliches getan , entschied sie. Ich habe die Prüfung ruiniert. Ihr Herz krampfte sich angstvoll zusammen. Welche Strafe stand darauf? Doch sie hob den Kopf und blickte ihnen trotzig entgegen. Ich habe meine Verwandte verteidigt, als ihr es nicht tun
wolltet , dachte sie trotzig. Dennoch schmeckte das Blut auf ihrer Zunge bitter. Sie war keinen Deut besser als die anderen. In ihr steckte es ebenfalls – der Blutdurst, das Verlangen zu töten. Und wo war überhaupt Esmé? Tot auf dem blutdurchtränkten Rasen, ganz gewiss. Vielleicht verdiene ich, was immer sie mir als Strafe zumessen. Sie stampfte mit den Vorderpfoten auf. Tut euch keinen Zwang an .
Doch trotz ihrer zur Schau gestellten Tapferkeit zuckte sie zusammen, als Tante Persia in den Kreis trat. Als Nächstes geschah etwas Verblüffendes. Die weise Alte duckte sich zu Boden, die Ohren flach angelegt. Sie rollte sich auf den Rücken und präsentierte ihren Bauch. Was tut sie da? , dachte Vivian schockiert. Dann folgte ein Weibchen nach dem anderen Persias Beispiel, alle legten sich auf den Rücken, zeigten die nackte Kehle und bezeugten ihr ihre Hochachtung.
Oh nein. Oh nein. Vivian sah sich völlig verwirrt um. War das ein Alptraum? Ich bin es nicht! , hätte sie am liebsten geschrien. Ich bin keine Königin.
Was war mit der Zeremonie? Sie hatte gedacht, der Tanz der Weibchen würde mit einem förmlichen Ritus beginnen, keinem hinterhältigen Angriff. Es hatte nicht in ihrer Absicht gelegen, daran teilzunehmen. Doch ein Weibchen galt nach seinem sechzehnten Geburtstag als erwachsen. Sie kauerte sich entsetzt auf den Boden und vergrub die Schnauze zwischen den Pfoten.
Dies konnte nicht stimmen. Es hatte sonst niemand gekämpft. Was war mit den anderen Weibchen? Rasch
ging sie sie durch – zu alt, zu jung, bereits gepaart, zu zerbrechlich. Sie hatte sich bisher überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, weil sie so fest entschlossen gewesen war, den Wettkampf zu meiden. Doch da keine weiblichen Fremden eingetroffen waren, hatte es nur drei mögliche Konkurrentinnen gegeben.
Eine weiche Zunge schleckte über ihre Schnauze, und da war auch der süße vertraute Atem, der sie an warmes Essen und heimelige Betten denken ließ. Ein Maul stupste ihres an. Sie öffnete die Augen. Esmé. In Sicherheit. Einen Augenblick vergaß sie ihre Bestürzung, sprang auf und tänzelte aufgeregt herum.
Doch Esmé trat beiseite, der Kreis teilte sich, und durch das erwartungsvolle Rudel kam Gabriel auf Vivian zu. Seine geschmeidigen Muskeln spielten unter der Haut, das dunkle Fell glitzerte im Sternenlicht.
Vivian erstarrte. Die eben noch verspürte Euphorie wich der bitteren Erkenntnis, dass sie sich versehentlich zu Gabriels Weibchen gemacht hatte.
Er stand vor ihr, die Lippen zu einem Grinsen verzogen.
Sie starrte in seine eisblauen Augen empor, während er darauf wartete, dass sie seine Dominanz anerkannte.
Ein leises Knurren erhob sich in ihrer Kehle. Niemals , beschloss sie. Du wirst mich nicht dazu bringen, dass ich dir meinen Bauch darbiete. Ich habe dich nicht absichtlich ausgewählt.
Angesichts ihres Widerstands wurde sein Grinsen noch breiter, und er leckte sich genüsslich das Maul.
Er würde die Herausforderung genießen, oder
Weitere Kostenlose Bücher