Blood Dragon 1: Drachennacht - Maeda, K: Blood Dragon 1: Drachennacht
andere Wahl – in mein Pensionszimmer wurde eingebrochen.“
Victor verharrte. Durch die gemeinsam getragene Kiste musste auch Elisa stehen bleiben. „Was wurde gestohlen?“, fragte er alarmiert.
Elisa zuckte, so gut es ging, mit den Achseln. „Nichts. Das ist das Irritierende. Irgendjemand hat das Zimmer auf den Kopf gestellt, aber nichts wurde gestohlen, nicht einmal meine Spiegelreflexkamera.“
Victor zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen, setzte sich aber wieder in Bewegung. Elisa folgte ihm. Mithilfe von Karad hatten sie bald alle Kisten entladen und in ihrem Zimmer verstaut. Sie wollte sich von den Dreien verabschieden, um in Ruhe auszupacken, aber Victor hielt sie noch einmal zurück. „Es tut mir leid, dass Ihnen so etwas Unangenehmes zugestoßen ist.“
„Es ist in Ordnung. Sie können ja nichts dafür.“
„Ich würde mich trotz allem gerne revanchieren. Auch, weil wir anscheinend einen recht seltsamen Anfang hatten.“ Er lächelte und Elisa erahnte zum ersten Mal, was sich hinter der steifen Fassade des Rumänen verbarg. „Lassen Sie uns heute Abend darüber reden. Ich lade Sie zum Essen ein.“
Elisa stutzte. „Ein Rendezvous?“, fragte sie ein wenig ungläubig.
Victor hüstelte. „Nicht direkt. Eher eine kleine Aussöhnung mit den Karpaten“, erwiderte er, und Elisa hätte schwören können, dass er verlegen wurde.
Sie lächelte. „In dem Fall nehme ich gerne an.“
„Dann würde ich Sie bitten, heute Abend um acht Uhr im Schlosshof zu sein“, sagte er und ging, ehe Elisa noch etwas sagen konnte.
Eine weitere Stunde später hatte sie ausgepackt und einige Dinge zusammengesucht. Ein Ordner lag vor ihr auf dem Tisch, daneben ein großer Notizblock, ein Stift und eine kleine Schatulle. Die Schatulle bestand aus Holz, und allerlei seltsame Zeichen schmückten die Außenseiten. Elisas Blicklag darauf – sie hatte sie bei ihrem letzten Besuch in der Grotte gefunden und bisher niemandem davon erzählt. Angesichts der aktuellen Ereignisse musste sie aber in Betracht ziehen, dass irgendjemand doch etwas von der Schatulle wusste oder zumindest ahnte, dass sie diese besaß. Was sonst konnte der Einbrecher gewollt haben? Bisher hatte sie noch keine Gelegenheit gefunden, das Kästchen zu öffnen. In der Grotte hatte sie es nicht öffnen wollen, und im Dunkelwald hatte sich bisher keine Möglichkeit aufgetan.
Elisa griff nach dem Holzkästchen und untersuchte den Verschluss. Es handelte sich um ein einfaches Schnappschloss, das sich nach einem kleinen Druck auf den Hebel aufschieben ließ. Trotz des offensichtlichen Alters der Schatulle ließ sie sich mühelos öffnen. In ihrem Inneren war sie mit rotem Samt ausgeschlagen und darin lag, ein wenig angelaufen, eine Halskette mit einem Anhänger. Elisa nahm behutsam die Kette aus der Schatulle und begutachtete sie. Sie bestand aus dunklem, fast rotem Gold, ebenso wie der Anhänger. Elisa legte ihn auf ihre flache Hand und erkannte einen vierbeinigen Drachen, der sich auf die Hinterbeine gestellt hatte. Elisa hatte schon andere Exemplare auf Urkunden und anderen Darstellungen gesehen, aber hier hatte sich der Künstler für die bekannteste Darstellungsform entschieden. Ein mächtiges Flügelpaar breitete sich von seinen Schultern aus, das Maul schien wie zu einem Brüllen geöffnet. Mit winzigen Einschlägen hatte der Künstler sogar ein Schuppenmuster auf den Leib des Fabeltieres gezaubert.
Elisa ließ den Anhänger samt Kette wieder in der Schatulle verschwinden. Drachen, immer drehte sich alles um Drachen. Seit sie in den Karpaten angekommen war, begegneten ihr die Feuer speienden Wesen auf Schritt und Tritt. Sie berührte den Ordner. Eigentlich sollte es sie nicht wundern – immerhin war die Grundlage ihrer Untersuchungen ein Geschlecht, das sich der Kraft und dem Mut des Drachen verschrieben hatte.
Elisa merkte, dass sie die Kette wieder aus der Schatulle geholt hatte und abwesend damit spielte. Ertappt legte sie diese zurück und zog den Ordner zu sich heran. Er enthielt ihre Rechercheunterlagen, die sie bereits in Deutschland gesammelt hatte. Es ging um Vlad den Dritten, rekapitulierte sie und notierte seinen Namen auf einem Block. Den Mann, den die Rumänen als Schlächter fürchteten und gleichzeitig als Retter ihres Landes feierten.
Elisa betrachtete ihre Schrift. Sie hatte Mirceas und Radus Namen neben Vlads geschrieben. Stokers Dracula-Sage bezog sich auf Vlad, aber für Elisa waren alle drei Brüder von Interesse. Mehr
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