Blood Dragon 1: Drachennacht - Maeda, K: Blood Dragon 1: Drachennacht
Stoker ist tot – wir haben keinerlei Hinweise, wie wir unseren Bruder wieder einsperren können.“
Mirceas Hand legte sich warm auf Elisas Rücken. „Sie kann uns helfen.“
„Sie?“
„Ich?“
Mircea gab sich unbeeindruckt von dem Erstaunen. „Es gibt niemanden, der die Legenden um Dracula besser kennt als Elisa. Sie hat alles erforscht, was es zu erforschen gibt, und kennt sich ebenfalls mit Stokers Text sehr gut aus. Ich habe ihre Arbeit schon lange beobachtet und ließ sie herkommen, weil ich fürchtete, Dracula würde eines Tages ausbrechen wollen. Unser Bruder war schneller als ich: er befreite sich, bevor ich Elisa einweihen konnte. Außerdem – ist dir nicht die Ähnlichkeit aufgefallen?“
Elisa spürte, wie Radus Blick von Mircea auf sie glitt und die dunklen Augen groß wurden. „Elisabeth!“
Das reichte. Elisas ohnehin strapazierte Geduld und ihre Aufnahmefähigkeit für seltsame Phänomene und Geschichten hatten ihre Grenze erreicht. Sie war müde, ihr Bein schmerzte, und während der vergangenen zehn Minuten sprach man über sie, als sei sie eine Dreijährige, die nichts verstand.
Sie hob die Hände auf Schulterhöhe und donnerte: „Stopp!“ Mit einiger Genugtuung registrierte sie, wie alle Augen nun auf ihr ruhten. „Nur noch einmal für mich, für den Fall, dass ich etwas missverstanden habe“, sagte sie leise und fixierte die drei anderen. Mircea sah sie eher verwundert an, Radu beobachtete sie argwöhnisch, und die blonde Frau musterte sie mit einem derart kühlen Blick, dass Elisas Entschlossenheit für einen Moment ins Wanken geriet. Doch der Augenblick verging. „Ihr seid zwei der Dracula Brüder und eigentlich Drachen, die sich um Rumänien kümmern. Vor Jahren wurde euer Bruder, den die Welt dank Bram Stoker für einen Vampir hält, wahnsinnig und fing an, wahllos Leute niederzumetzeln.“ Elisa konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme vor Sarkasmus troff. Aber sie fuhr fort: „Daraufhin habt ihr ihn mithilfe von diesem Stoker eingesperrt, was ihm natürlich gar nicht gefiel, und jetzt kürzlich brach er aus. Nun soll ich als Dracula-Forscherin euren Mist aufräumen, weil ihr vergessen habt, wie man euren Bruder wieder unschädlich macht. Oh, und was natürlich die Krönung ist, ist die Tatsache, dass ich rein zufällig aussehe wie Draculas und Mirceas verstorbene Jugendliebe, dass ich ebenso rein zufällig fast denselben Namen trage, was Mircea als Grund nimmt, mit mir ins Bett zu gehen. Habe ich das in etwa gut zusammengefasst?“ Die letzte Frage richtete sie laut und eindeutig an Mircea, der sie anstarrte.
Die Stille sagte ihr mehr als genug – sie wusste nicht, welches Gefühl in ihr vorherrschte, Zuneigung zu Mircea oder Misstrauen, aber das Chaos machte es ihr schwer, sich darauf zu konzentrieren. Alles, was sie wollte, waren Ruhe und Zeit, um nachzudenken – der Wunsch war mit einem Mal übermächtig und Elisa merkte, wie die Welt um sie verschwand. Wie in einer ihrer Visionen. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen – doch dort war niemand mehr, mit dem sie hätte reden können.
Elisa blinzelte. Sie befand sich nicht mehr in der Höhle. Wärme befand sich unter ihren Füßen, und sie roch Asche und Rauch. Um sie herum ragten eingestürzte Mauern in die Höhe. Sie stand in der Ruine von Dunkelwald. Das Feuer hatte ganze Arbeit geleistet: Kaum ein Steinlag noch auf dem anderen. Nur mit viel Glück hatten die Flammen den nahen Wald verschont, aber dafür umso heftiger in dem Jagdschloss gewütet.
Fassungslos sank Elisa auf die Knie, ohne darauf zu achten, dass sie ihr helles Kleid beschmutzte. Was war hier geschehen?! Wieso befand sie sich in einem Moment noch in der Halle und im nächsten hier? Was war hier nur los? Elisa fuhr sich mit zitternden Händen über das Gesicht und versuchte, sich zu beruhigen. Sie war Wissenschaftlerin, verdammt, für das alles musste es eine logische Erklärung geben. Was war als Letztes passiert? In ihrer Erinnerung spürte sie nur die Wut und die grenzenlose Enttäuschung, die sie verspürt hatte. Mircea hatte sie nur geholt, damit sie für ihn einen Weg fand, seinen Bruder aufzuspüren und wieder einzusperren. Als kleinen Bonus hatte er gleich noch jemanden gefunden, mit dem er sich im Bett amüsieren konnte.
Elisa schluckte. Sie hatte sich Hals über Kopf verliebt und stand nun mit ihren Gefühlen vollkommen allein da, hatte sich etwas vorgemacht und das schmerzte noch mehr als die Enttäuschung und ihre betrogenen
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