Blood Dragon 1: Drachennacht - Maeda, K: Blood Dragon 1: Drachennacht
Gefühle. Sie atmete schmerzhaft hart ein, aber es brauchte einige Zeit, bis ihr Atem sich beruhigte und Elisa nicht mehr das Bedürfnis verspürte, ungehalten zu schreien.
Sie starrte auf ihre verschmutzten Hände, die Linien auf den Innenflächen. Das war real, das war wahr. Daran musste sie sich festhalten. Also gut, was genau war passiert? Sie war einfach aus der Halle verschwunden, weil es ihr Wunsch gewesen war. Das musste in irgendeiner Weise mit Elisabeths Kräften zusammenhängen. Seit sie sich mit der Rumänin vereinigt hatte, hatte Elisa sich verändert. Auch dieses plötzliche Verschwinden hatte mit Sicherheit damit zu tun. Sie hatte dabei ein ähnliches Gefühl wie in ihren Visionen gehabt. Vielleicht konnte sie durch die Visionen einfach verschwinden? Oder war sie noch in einer gefangen?
Der nächtliche Wind wirbelte Ascheflocken auf. Einige streiften hauchzart ihre Wangen und holten sie aus den Gedanken zurück. Abermals musste sie auf die Ruinen des Schlosses sehen, und ihr Herz schnürte sich zusammen. Das hier war keine Vision. Sie hatte in ihren Visionen bisher nur Elisabeths Vergangenheit gesehen, außer dem einen Mal, das Dracula ihr aufgezwungen hatte. Dies hier war die Wirklichkeit, da war sie sicher, während eine weitere Böe mehr Asche aufwirbelte.
Und wenn dies nun Narukas Asche war?
, schoss es ihr durch den Kopf, und sie spürte, wie ein heiseres Stöhnen ihre Kehle hinaufdrängte. Mircea hatte gesagt, dass keine Leichen gefunden wurden, aber allein der Gedanke, dass ihrer Freundin etwas zugestoßen sein könnte, war in diesem Augenblick zu viel. Elisa weinte, bis in ihrer Brust ein Knoten zu sitzen schien, der sich nicht auflösen wollte. Sie hielt sich nicht zurück, sie schluchzte und weinte heiser um die Freunde, die sie vielleicht verloren hatte, und um eine Liebe, von der sie nicht sicher wusste, ob sie überhaupt eine war.
Stein schabte über Stein. Elisa reagierte anfangs nicht darauf, weil sie dachte, dass sich eine Ratte aus dem Schutt wühlte, aber als sich das Schaben lauter wiederholte, sah sie doch auf. Ein größerer Steinhaufen bewegte sich, und eine Menge Schutt geriet ins Rutschen. Ein verrußter Kopf tauchte auf, und schließlich kämpfte sich Naruka aus der Erde hervor. Kurz darauf folgte ihr Karad.
Elisa starrte sie wie leibhaftig gewordene Gespenster an. Noch hatte Naruka sie nicht entdeckt. Sie wischte sich Steinstaub und Asche aus den Augen und blinzelte. Als sie Elisa erkannte, lachte sie und winkte, als wäre nichts geschehen.
Elisa konnte noch immer nichts sagen. Erst als sich Naruka näherte und sie an sich zog, kam Leben in sie. Sie erwiderte die Umarmung der Rumänin heftig und lachte und weinte gleichzeitig.
Naruka drückte Elisa an sich. „Geht es dir gut? Ist dir nichts geschehen?“
Elisa nickte und schaute erst Naruka und dann Karad an. „Und was ist mit euch? Wo sind die anderen?“
„Auf unterirdischem Weg in ein Versteck geflüchtet“, erklärte Karad, der noch schlimmer aussah als Naruka. Sein Gesicht bedeckten schwarze Ruß- und helle Ascheflecken, und über der rechten Augenbraue prangte eine hässliche Platzwunde. Sein Hemd war zerrissen, die beeindruckenden Muskeln darunter waren ebenfalls nicht verschont geblieben. Karad hatte offenbar keine schweren, dafür aber sehr viele blutende Wunden davongetragen.
„Die Königshalle“, murmelte Elisa, und Karad sah sie verblüfft an.
„Woher weißt du davon?“
„Ich komme gerade von dort. Ich …“ Auf die verständnislosen Blicke der beiden hin schüttelte sie den Kopf. „Ich muss noch vieles herausfinden. Es hat etwas mit Elisabeth und den Visionen zutun, aber ganz sicher bin ich noch nicht.“ Müde rieb sie sich über die Augen. „Entschuldigt, ich bin nur gerade so ratlos. Bitte erzählt mir, was passiert ist, vielleicht hilft es mir, ein paar Antworten zu finden.“
Karad und Naruka wechselten einen Blick. Naruka nahm Elisas Hand.
„Einverstanden. Aber lass uns erst einmal von hier fortgehen. Nicht, dass er vielleicht wiederkommt …“
Die Rumänin führte sie in den nahen Wald und ihr Blick glitt immer wieder nach oben. Als sie glaubte, dass es tief genug war, ließ Naruka sich auf einen umgestürzten Baumstamm fallen. Elisa setzte sich neben sie, Karad auf einen Baumstumpf vor ihnen. Sein Haarband hatte sich gelöst, und die blonden Strähnen fielen ihm wirr ins Gesicht. Er wirkte müde. Nicht nur Elisa fiel das auf. Naruka beugte sich vor und streichelte Karads Wange.
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