Blood - Ein Alex-Cross-Roman
College-Damen zu imponieren schien.
Michael Sullivan war nicht nur charmant, sondern auch noch gut aussehend, und das war ihm durchaus bewusst − schlank und doch angenehm muskulös, eins fünfundachtzig groß, dazu halblange, blonde Haare und ein Lächeln, mit dem er jeden Menschen blenden konnte, wenn er wollte.
Also war es auch keine große Überraschung, dass die zwanzigjährige Marianne Riley aus Burkittsville, Maryland, ihm keine allzu schüchternen Blicke zuwarf und ihn auf eine Art und
Weise berührte, wie es unverblümte junge Mädchen manchmal tun.
Sullivan beugte sich dicht zu dem Mädchen, das nach Wildblumen duftete. »Marianne, Marianne … ich kannte mal so ein Lied. Calypso-Melodie. Kennst du das auch? ›Marianne, Marianne‹?«
»Vor meiner Zeit«, erwiderte das Mädchen, aber dann zwinkerte sie ihm zu. Sie hatte wundervolle grüne Augen, volle, rote Lippen und ein unglaublich süßes, kariertes Schleifchen im Haar. Von Anfang an war Sullivan sich in einem Punkt absolut sicher gewesen − Marianne wollte ihn bloß ein bisschen anheizen, aber ranlassen würde sie ihn nicht, und das war für ihn vollkommen in Ordnung. Er spielte ja auch gerne seine Spielchen.
»Ich verstehe. Und Mr Yeats, Mr Blake und Mr James Joyce, die waren also nicht vor deiner Zeit?«, fragte er neckisch. Sein gewinnendes Lächeln leuchtete mit voller Kraft. Dann nahm er Mariannes Hand und hauchte ihr einen Kuss darauf. Er zog sie von ihrem Barhocker herunter und tanzte mit ihr ein paar enge Figuren zu dem Stones-Titel, der aus der Musikbox drang.
»Wo soll das denn hinführen?«, fragte sie. »Was glaubst du denn, wo das hinführen soll?«
»Du wirst schon sehen. Nur keine Sorge. Vertrau mir.«
Sie lachte, kniff ihm in die Wange und lachte noch ein bisschen mehr. »Wie könnte ich diesen mörderischen Blicken widerstehen?«
5
Marianne dachte, dass sie diesem niedlichen Typen aus New York eigentlich gar nicht widerstehen wollte. Außerdem war sie in dieser Kneipe in der M-Street sicher. Was sollte hier schon passieren? Schlimmstenfalls spielte die Musikbox einen Titel der New Kids on the Block.
»Ich steh nicht so gern im Scheinwerferlicht«, sagte er gerade und lenkte sie in den hinteren Teil der Kneipe.
»Du hältst dich wohl für einen zweiten Tom Cruise, stimmt’s? Dieses Lächeln, funktioniert das eigentlich jedes Mal? Kriegst du damit immer das, was du willst?«, fragte sie.
Aber sie lächelte ebenfalls, forderte ihn heraus, spornte ihn zu Höchstleistungen an.
»Ich weiß nicht, M.M. Manchmal funktioniert es ganz gut, schätze ich.«
Sie standen in dem abgedunkelten Flur im hinteren Teil der Bar, er küsste sie, und der Kuss erfüllte Mariannes sämtliche Hoffnungen, er war irgendwie sogar süß. Auf jeden Fall sehr viel zärtlicher, als sie erwartet hatte. Er versuchte nicht, sie gleichzeitig irgendwo anzufassen, auch wenn sie vielleicht gar nichts dagegen gehabt hätte, aber so war es besser.
» Huuuiii .« Sie stieß schnaubend den Atem aus und fächelte sich mit der Hand Luft zu. Das sollte ein Scherz sein, auch wenn es nur teilweise scherzhaft gemeint war.
»Es ist wirklich ein bisschen warm hier drin, nicht wahr?«, sagte Sullivan und entlockte der College-Studentin damit ein weiteres Lächeln. »Ein bisschen eng, findest du nicht auch?«
»Tut mir leid, aber ich gehe auf gar keinen Fall mit dir irgendwohin. Wir haben ja nicht mal ein Date.«
»Verstehe«, erwiderte er. »Habe ich auch nicht mit gerechnet. Nicht mal einen Gedanken habe ich daran verschwendet.«
»Natürlich nicht. Dazu bist du viel zu sehr Kavalier.«
Er küsste sie noch einmal, und dieser Kuss war tiefer. Es gefiel Marianne, dass er nicht so leicht klein beigab. Auch, wenn es keine Rolle spielte … sie würde auf keinen Fall mit ihm irgendwo hingehen. Das machte sie grundsätzlich nicht, niemals … also, zumindest bis jetzt nicht.
»Du kannst wirklich gut küssen«, sagte sie. »Das muss man dir lassen.«
»Du hältst dich auch ganz wacker«, erwiderte er. »Um ehrlich zu sein, du bist eine tolle Küsserin. Das war der beste Kuss meines Lebens«, fuhr er in neckischem Ton fort.
Sullivan ließ sich mit dem Rücken gegen eine Tür fallen, und sie stolperten unvermittelt in die Herrentoilette. Dann stellte sich Jimmy Hats von außen vor die Tür. Er hielt dem Schlachter immer den Rücken frei.
»Nein, nein, nein«, sagte Marianne, musste aber dennoch lachen. Die Herrentoilette ? Das war echt witzig. Verrückt, aber witzig.
Weitere Kostenlose Bücher