Blood - Ein Alex-Cross-Roman
Georgetown-Geschichte?«, fragte ich, wahrscheinlich um Sampson abzulenken.
»Nichts Neues«, meinte er und machte den Themenwechsel ohne zu zögern mit. »Ich habe jetzt drei der vier uns bekannten Opfer durch und bin immer noch keinen Schritt weiter.«
»Also will keine etwas sagen? Nach allem, was ihnen zugestoßen ist? Das ist kaum zu glauben. Findest du nicht auch, John?«
»Doch. Heute habe ich mit einer Frau gesprochen, die Captain
bei der Army ist. Sie hat immerhin gesagt, dass der Vergewaltiger üble Drohungen gegenüber ihren Familienangehörigen geäußert hat. Aber sogar das war mehr, als sie eigentlich herauslassen wollte.«
Schweigend tranken wir unsere Flaschen leer. Meine Gedanken sprangen immer wieder zwischen Sampsons Fall sowie Kim Stafford und ihrem Verlobten, dem Polizisten, hin und her.
Sampson kippte den letzten Rest seines Corona hinunter, setzte sich auf und reichte mir die nächste Flasche. »Also, hör zu«, sagte er. »Ich habe jetzt noch ein letztes Gespräch vor mir − eine vergewaltigte Rechtsanwältin. Eine letzte Chance, um diesen Fall irgendwie zu knacken.«
A-ha, jetzt geht’s los.
»Montagnachmittag?«
Ich drehte mich in meinem Drehstuhl und warf einen Blick in den Terminplaner auf meinem Schreibtisch. Vollkommen leer. »Verdammt, total ausgebucht.«
Dann machte ich das zweite Bier auf. Ein langer Lichtstrahl zwängte sich zu den hölzernen Fensterläden herein, ich verfolgte ihn bis hin zu der Stelle, wo Sampson saß und mich mit diesem für ihn typischen, brütend starren Blick anstierte. Menschenberg, so lautete einer meiner privaten Spitznamen für ihn. Ein anderer war Doppel-John.
»Wann am Montag?«, wollte ich schließlich wissen.
»Drei Uhr. Ich hol dich ab, mein Hase.« Er ließ seine Bierflasche gegen meine klicken. »Weißt du was, du hast mich gerade sieben Mäuse gekostet.«
»Wieso denn das?«
»Der Zwölfer-Pack«, erwiderte er. »Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, dann hätte ich nur sechs geholt.«
60
Montag, fünfzehn Uhr. Ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein, aber ich bin es trotzdem.
Alles, was ich bisher gesehen hatte, deutete darauf hin, dass die Anwaltskanzlei Smith, Curtis and Brennan sich auf altes Geld spezialisiert hat. Der ausgesprochen teuer wirkende Empfangsbereich mit den seitlich platzierten Tischchen, auf denen Golf Digest, Town & Country oder Forbes auslagen, sprach für sich selbst. Die Klienten dieser Kanzlei wohnten garantiert nicht in meiner Nachbarschaft.
Mena Sunderland war Juniorpartnerin und außerdem unser drittes Vergewaltigungsopfer, chronologisch betrachtet. Mit ihrem grauen Designeranzug und dieser gewissen anmutigen Reserviertheit, die manche Südstaatler an sich haben, schien sie sehr gut in die Umgebung zu passen. Sie führte uns in ein kleines Konferenzzimmer und zog vor Beginn unseres Gesprächs die Jalousien vor den Glaswänden zu.
»Ich fürchte, Sie vergeuden Ihre Zeit«, sagte sie dann. »Ich habe nichts weiter zu sagen. Das habe ich auch dem anderen Detective schon gesagt. Mehrfach.«
Sampson schob ihr ein Blatt Papier zu. »Wir dachten, das hier könnte es Ihnen vielleicht erleichtern.«
»Was ist das?«
»Eine Presseerklärung. Falls überhaupt Informationen in dieser Sache veröffentlicht werden sollten, dann das hier.«
Sie überflog das Dokument, während er erläuternd hinzufügte: »Mit dieser Erklärung wollen wir die Ermittlungen offensiv vorantreiben, indem wir feststellen, dass keines der
uns bekannten Opfer bereit ist, den Angreifer zu identifizieren oder gegen ihn auszusagen.«
»Ist das denn wahr?«, fragte sie und hob den Blick.
Sampson wollte gerade antworten, als mich eine plötzliche Eingebung durchzuckte. Ich fiel ihm ins Wort, indem ich anfing zu husten. Nicht besonders geschickt, aber wirkungsvoll.
»Dürfte ich Sie vielleicht um ein Glas Wasser bitten?«, wandte ich mich an Mena Sunderland. »Bitte entschuldigen Sie.«
Kaum hatte sie den Raum verlassen, sagte ich zu Sampson: »Ich finde, sie soll nicht erfahren, dass alles an ihr hängt.«
»Okay. Das sehe ich auch so.« Sampson nickte und sagte dann: »Aber wenn sie fragt…«
»Lass mich übernehmen«, unterbrach ich ihn. »Ich habe ein gutes Gefühl.« Ich war berühmt für meine »Gefühle«, sie waren ein Teil meiner Reputation, was aber nicht bedeutete, dass Sampson automatisch damit einverstanden sein musste. Hätten wir mehr Zeit gehabt, das alles auszudiskutieren, dann hätte ich mir darüber
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