Blood - Ein Alex-Cross-Roman
machte sich ein Nudelgericht und nippte dabei an einem Glas Rotwein. Hübsch herausgeputzt, dachte er.
»Hab ich dir gefehlt, Mena? Du hast mir gefehlt. Und weißt du was? Ich hatte fast schon vergessen, wie hübsch du bist.«
Aber jetzt werde ich dich nie wieder vergessen, mein kleiner Liebling. Dieses Mal hab ich eine Kamera mitgebracht, um ein Bild von dir zu machen. Jetzt landest du doch noch in meiner preisgekrönten Fotosammlung. Oh ja, so wird es sein!
Dann kam der erste Schnitt mit dem Skalpell.
81
Noch während ich in der Kirche war, klingelte mein Handy. Irgendwo im Regierungsviertel gab es Ärger. Ich sprach ein Stoßgebet für die Betroffenen und ein weiteres dafür, dass wir den Mörder und Vergewaltiger bald schnappen konnten. Dann verließ ich St. Anthony’s im Laufschritt.
Sampson und ich fuhren in seinem Auto mit jaulenden Sirenen und blinkenden Scheinwerfern in das Viertel hinter dem Capitol Hill. Als wir am Tatort eintrafen, hingen überall schon die gelben Absperrbänder. Die Szenerie mit all den bedeutenden Regierungsgebäuden im Hintergrund könnte gar nicht dramatischer sein, dachte ich, während Sampson und ich die vier steinernen Stufen der Eingangstreppe vor dem braunen Sandsteinhaus hinaufeilten.
Will er uns eine Show liefern? Macht er das absichtlich? Oder ist es eher zufällig passiert?
Ich hörte die Alarmanlage eines Autos losheulen und warf einen Blick die Straße entlang. Was für ein seltsamer, merkwürdiger Anblick: Polizei, Journalisten, eine wachsende Menge Schaulustiger.
Vielen war die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben, und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass dieses Bild in unserer Zeit weit verbreitet war: dieser angststarre Blick, diese schreckliche Furcht, die das ganze Land erfasst zu haben schien, vielleicht lebte mittlerweile bereits die ganze Welt in Angst.
Unglückseligerweise wurde es im Inneren des Hauses noch schlimmer. Der Tatort befand sich fest in der Hand ernst dreinschauender Detectives der Mordkommission und Kriminaltechniker,
aber Sampson wurde eingelassen. Er nahm mich mit, trotz eines heftig protestierenden Sergeants.
Wir betraten die Küche.
Den unvorstellbaren Schauplatz des Mordes.
Die Werkstatt des Killers.
Ich sah Mena Sunderland auf dem rötlich braunen Fliesenboden liegen. Ihre Augen waren nach oben gerichtet, sodass das Weiße zu sehen war, und sie schien an einen Punkt an der Decke zu starren. Aber Menas Augen waren nicht das Erste, was ich sah. Oh, was war dieser Killer für ein widerliches Ekel.
In ihrer Kehle steckte ein Tranchiermesser, wie ein tödlicher Pfahl ragte es hervor. Ihr Gesicht war von zahlreichen Wunden übersät, tiefen, unnötig gewalttätigen Schnitten. Ihr Oberteil, ein weißes T-Shirt, war ihr vom Leib gerissen worden. Jeans und Höschen waren bis zu den Knöcheln herabgezerrt, aber nicht ganz ausgezogen worden. Ein Schuh hing noch an ihrem Fuß, der andere blassblaue Clog lag seitlich gekippt in einer Blutlache.
Sampson schaute mich an. »Alex, was siehst du? Sag es mir.«
»Nicht viel, bis jetzt wenigstens. Ich glaube nicht, dass er sie vergewaltigt hat«, erwiderte ich.
»Wieso nicht? Er hat ihr doch die Hose runtergezogen.«
Ich beugte mich über Menas Leiche. »Die Art der Wunden. Das ganze Blut. Die Verunstaltungen. Er war zu wütend auf sie. Er hat ihr gesagt, sie soll nicht mit uns reden, aber sie hat nicht auf ihn gehört. Das ist der Sinn dieser Geschichte hier. Glaube ich. Kann sein, dass wir sie umgebracht haben, John.«
Sampson reagierte wütend. »Alex, wir haben ihr gesagt, sie soll noch nicht in ihre Wohnung zurückgehen. Wir haben ihr
Überwachung angeboten, Schutz. Was hätten wir noch tun können?«
Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht sie in Ruhe lassen. Den Mörder fassen, bevor er sie fassen konnte. Irgendetwas anderes, John, irgendetwas, aber nicht das hier.«
82
Jetzt ermittelten wir also auch für Mena Sunderland, im Gedenken an sie, zumindest redete ich mir das ein, war das meine Form der Rationalisierung. Für Maria und für Mena Sunderland und für all die anderen.
An den folgenden drei Tagen arbeitete ich tagsüber sehr eng mit Sampson zusammen, und abends gingen wir gemeinsam auf die Straße hinaus. Unsere Nachtschicht dauerte normalerweise von zehn bis zwei. Wir gehörten zu einer Sondereinheit, die durch Georgetown und Foggy Bottom patroullierte, beides Gegenden, in denen der Vergewaltiger-Mörder schon zugeschlagen hatte. Wir waren alle sehr
Weitere Kostenlose Bücher