Blood - Ein Alex-Cross-Roman
aus, die Washington Post . Plötzlich fiel ihm ein, dass der legendäre Bob Woodward, der Enthüller des Watergate-Skandals, ganz hier in der Nähe wohnte. Aber das war nicht das, was ihn störte.
Das Problem war sein Gesicht, eine Zeichnung davon, die durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schlachter aufwies. Sie war auf der oben liegenden Hälfte des Titelblatts zu sehen, genau da, wo sie nicht hingehörte.
»Mein Gott, ich bin berühmt.«
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Aber das war keineswegs zum Lachen, Michael Sullivan beeilte sich, um zu seinem Auto in der Q-Street zu gelangen. Eigentlich war das, was soeben geschehen war, das Schlimmste, was er sich vorstellen konnte. In letzter Zeit schien fast alles schiefzugehen.
Er saß auf dem Fahrersitz seines Cadillac und dachte in Ruhe über die unerfreuliche Entwicklung nach.
Er überlegte, welche Frauen als »Verdächtige« in Frage kamen. Wer hatte da wohl geplaudert? Der Polizei womöglich eine Beschreibung geliefert? Er dachte daran, dass er jetzt von verschiedenen Seiten attackiert wurde, von der Washingtoner Polizei ebenso wie von der Mafia. Was nun, was nun?
Als er schließlich zumindest eine Teillösung ersonnen hatte, durchströmte ihn ein Gefühl der Zufriedenheit, ja, sogar der Aufregung, weil sie sich wie ein neues Spiel anfühlte. Das nächste Level.
Die im Washington D.C. Police Department dachten jetzt, sie wüssten, wie er aussah, das konnte ihn durchaus in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, könnte aber auch dazu führen, dass sie nachlässig oder vielleicht zu selbstsicher wurden.
Fehler.
Deren.
Vor allem, wenn er sofort die richtigen Gegenmaßnahmen ergriff, und das hatte er auf jeden Fall vor. Aber wie sahen sie aus, diese Maßnahmen, die er jetzt ergreifen musste?
Der erste Schritt führte ihn in die Wisconsin Avenue, nahe der Blues Alley, wo dieser kleine Laden war. Ein Friseur namens
Rudy hatte am Nachmittag einen Stuhl für ihn frei, und so gönnte Sullivan sich einen Haarschnitt und eine Rasur.
Es war eine entspannende und sogar angenehm freudige Erfahrung, diese Spannung, wie er wohl hinterher aussehen würde, ob sein neues Ich ihm gefallen würde.
Nach weiteren zehn bis zwölf Minuten war die Tat vollbracht. Lösen Sie die Bandagen, Doktor Frankenstein. Der kleine, rundliche Barbier schien mit sich zufrieden zu sein.
Wenn du’s versaut hast, bist du ein toter Mann. Das ist kein Witz, Rudy , dachte der Schlachter. Ich schneide dich mit deinem eigenen Rasiermesser in dünne Scheibchen. Mal sehen, was die Washington Post dazu zu sagen hat!
Aber, holla! »Gar nicht so schlecht. Gefällt mir irgendwie. Ich finde, ich sehe fast ein bisschen aus wie Bono.«
»Der Bono von Sonny und Cher?«, wollte Rudy, der Dussel, wissen. »Kann ich nichts zu sagen, Mister. Ich finde, Sie sehen besser aus als Sonny Bono. Der ist ja schon tot, wissen Sie?«
»Ist ja auch egal«, meinte Sullivan, bezahlte, gab dem Barbier ein Trinkgeld und machte, dass er wegkam.
Als Nächstes fuhr er in das Viertel rund um den Capitol Hill in Washington.
Ihm hatte es hier immer gefallen, er fand die Gegend sehr reizvoll. Die meisten Leute hatten, wenn sie an das Kapitol dachten, ein bestimmtes Bild vor Augen, das durch die anmutige Treppe und die Terrassen auf der Westfassade bestimmt wurde. Auf der östlichen Seite jedoch, hinter dem Kapitol und dem Höchsten Gerichtshof und den Gebäuden der Kongress-Bibliothek, befand sich ein lebendiges Wohnviertel, in dem er sich recht gut auskannte. Wie in diesem Song von den Temptations: I’ve passed this way before.
Der Schlachter ging durch den Lincoln Park, von wo sich
jetzt, wo die Blätter von den Bäumen fielen, ein wunderbarer Blick auf die Kuppel des Kapitols bot.
Er rauchte eine Zigarette und ging vor dem irgendwie seltsam anmutenden Emancipation Memorial seinen Plan noch einmal durch. Das Denkmal zeigte einen Sklaven, der seine Ketten abstreift, während Lincoln die Proklamation zur Sklavenbefreiung verliest.
Die meisten halten Lincoln ja für einen guten Menschen. Ich selbst dagegen bin ein sehr schlechter Mensch. Möchte bloß mal wissen, wie es dazu kommt, dachte er.
Ein paar Minuten später brach er in ein Haus in der C-Street ein. Er wusste einfach, dass das die Schlampe war, die geplaudert hatte. Er spürte es am ganzen Leib, hatte es im Blut. Bald schon hätte er Gewissheit.
Er entdeckte Mena Sunderland in ihrer wunderhübschen, kleinen Küche. Sie trug eine Jeans, ein porentief reines, weißes T-Shirt, abgewetzte Clogs,
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