Blood - Ein Alex-Cross-Roman
beschrieben hatten. Sie hatten medizinische Betreuung erhalten, hatten sich aber geweigert, gegenüber der Polizei über das, was ihnen zugestoßen war, auszusagen. Das bewies zwar gar nichts, machte mich aber neugierig, deshalb blätterte ich Seite für Seite weiter.
Ich las mir noch ein paar Vernehmungsprotokolle durch, ohne jedoch eine Täterbeschreibung durch eines der Opfer zu entdecken.
Konnte das Zufall sein? Wohl kaum. Ich las weiter.
Dann stieß ich in den Aufzeichnungen eines gewissen Detective Hightower auf etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Auf einen Namen und ein paar weitere Informationen.
Maria Cross.
Sozialarbeiterin in Potomac Gardens.
Detective Alvin Hightower, an den ich mich noch vage erinnern konnte − ich war mir ziemlich sicher, dass er in der Zwischenzeit verstorben war −, hatte einen Bericht über die Vergewaltigung einer College-Studentin an der George Washington University verfasst. Sie hatte in einer Bar in der M-Street stattgefunden.
Beim Weiterlesen stockte mir der Atem. Ich musste an ein Gespräch denken, dass ich wenige Tage vor ihrem Tod mit Maria geführte hatte. Es war um einen ihrer aktuellen Fälle gegangen, um eine vergewaltigte junge Frau.
Nach Angaben des Detectives hatte die Studentin den Vergewaltiger gegenüber einer Sozialarbeiterin − Maria Cross − zumindest ansatzweise beschrieben. Er war weiß, ungefähr
eins fünfundachtzig groß und möglicherweise aus New York. Als er mit ihr fertig war, hatte er sich mit einer kleinen Verbeugung verabschiedet.
Mit zitternden Fingern blätterte ich um und sah auf das Datum des Berichts. Da stand es schwarz auf weiß − der Tag, bevor Maria ermordet wurde.
Und der Vergewaltiger?
Der Schlachter . Der Mafiakiller, dem wir auf den Fersen gewesen waren. Ich konnte mich noch an seine Verbeugung auf dem Dach erinnern, an seinen unerklärbaren Besuch bei mir zu Hause.
Der Schlachter.
Darauf würde ich mein Leben verwetten.
Vierter Teil
Drachentöter
84
Nana ging in der Küche ans Telefon, weil die ganze Familie sich dort versammelt hatte, um das Abendessen zuzubereiten. Jeder von uns hatte eine Aufgabe übernommen, sei es Kartoffeln schälen oder einen Salat zuzubereiten oder den Tisch mit dem guten Tafelsilber zu decken. Ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn das Telefon klingelte. Was jetzt? Hatte Sampson irgendetwas über den Schlachter herausgefunden?
Nana sagte in den Hörer: »Hallo, Liebes, wie geht es dir? Wie fühlst du dich? Ach, ist das schön, wirklich sehr schön, das zu hören. Ich hole ihn. Alex steht hier, direkt neben mir, und schneidet Gemüse wie ein japanischer Küchenchef. Oh ja, er schlägt sich ganz wacker. Wenn er deine Stimme hört, geht es ihm bestimmt gleich noch viel besser.«
Das musste Kayla sein, also ging ich an das Telefon im Wohnzimmer.
Seit wann hatten wir eigentlich praktisch in jedem Zimmer ein Telefon stehen, ganz zu schweigen von den Handys, die Damon und Jannie mittlerweile mit in die Schule schleppten?
»Na, wie geht’s dir, Liebes?« Ich griff nach dem Hörer und ahmte Nanas flötenden Tonfall nach. »Ich bin dran. Ihr da in der Küche, ihr könnt jetzt auflegen«, fügte ich für meine kichernden und gackernden Mithörer und -hörerinnen noch hinzu.
»Hallo, Kayla? Tschüs, Kayla!«, riefen die Kinder im Chor.
»Tschüs, Kayla«, fügte Nana hinzu. »Wir haben dich lieb. Werd bald wieder gesund.«
Kayla und ich hörten es klicken, dann sagte sie: »Es geht
mir gut. Die Patientin ist auf dem besten Weg. So gut wie geheilt und voller Unternehmungslust.«
Ich lächelte, und ich spürte eine innere Wärme, nur weil ich ihre Stimme hörte. »Ach, ist das schön, deine unternehmungslustige Stimme wieder zu hören.«
»Geht mir umgekehrt genau so. Deine, die der Kinder und Nanas. Tut mir leid, dass ich mich letzte Woche nicht gemeldet habe. Mein Vater war nicht ganz auf der Höhe, aber er berappelt sich auch gerade wieder. Und du kennst mich ja. Ich habe in der Nachbarschaft hier und da ein bisschen ausgeholfen.«
Es entstand eine kurze Pause, doch dann füllte ich die Stille mit belanglosen Fragen über Kaylas Eltern und das Leben in North Carolina, wo wir beide geboren sind. Dann hatte sich meine Aufregung über Kaylas überraschenden Anruf endlich ein bisschen gelegt, und ich fühlte mich wieder mehr wie ich selbst.
»Also, wie geht es dir denn nun?«, sagte ich. »Ist wirklich alles in Ordnung? Bist du tatsächlich fast wieder gesund?«
»Ja, das bin
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