Blood - Ein Alex-Cross-Roman
ein paar Gebete für Kayla und bat, dass sie nicht nur ihre körperlichen Verletzungen überstand, sondern dass auch
ihre anderen Wunden verheilten. Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf lebensbedrohende Angriffe auf sich selbst, ihre Familienmitglieder oder auf ihr Zuhause. Das weiß ich aus erster Hand. Und leider hatte auch Kayla das jetzt erfahren.
Weil ich mich gerade in Bet-Laune befand, sprach ich auch ein paar vertrauliche Worte für Maria, an die ich in letzter Zeit so oft gedacht hatte.
Ich redete sogar mit ihr, was immer das bedeuten mochte. Ich hoffte, dass sie damit einverstanden war, wie ich die Kinder großzog − das war immer schon ein Thema zwischen uns gewesen. Dann sprach ich ein Gebet für Nana Mama und ihre labile Gesundheit, eines für die Kinder und sogar ein paar Worte für Rosie, die Katze, die an einer schweren Erkältung litt. Ich befürchtete, sie könnte sich zu einer Lungenentzündung auswachsen. Lass unsere Katze nicht sterben. Nicht jetzt. Auch Rosie ist ein guter Mensch.
79
Der Schlachter war in Georgetown, um ein bisschen aufgestauten Dampf abzulassen, sonst bestand die Gefahr, dass seine Rückkehr zu Caitlin und den Kindern, in sein enges Spießerleben, nicht ganz so reibungslos verlief. Ihm war schon vor langer Zeit klar geworden, dass er sein Doppelleben genoss. Wer, zum Teufel, würde das nicht?
Vielleicht war heute mal wieder das gute, alte Rote-Ampelgrüne-Ampel-Spielchen dran? Warum nicht? Sein Krieg gegen Junior Maggione machte ihm eine Menge Stress.
Die Q-Street, die er gerade mit entschlossenen Schritten entlangging, war hier, auf Höhe der Hausnummer 3000, von hübschen Bäumen gesäumt und mit attraktiven Stadthäusern und etlichen noch größeren Stadtvillen bebaut. Es war eine gehobene Wohngegend, und die am Straßenrand parkenden Autos verrieten den sozialen Status und den Geschmack der hier Wohnenden: ein paar Mercedes, ein Range Rover, ein BMW, ein Aston Martin und ein, zwei glänzende Bentleys.
Abgesehen von denjenigen, die gerade ein Haus betraten oder verließen, gab es so gut wie keine Fußgänger. Das war gut für ihn. Er hatte die Kopfhörer aufgesetzt und hörte eine schottische Band, die ihm gut gefiel: Franz Ferdinand. Aber irgendwann schaltete er die Musik aus und machte sich ernsthaft ans Werk.
In dem roten Backsteinhaus an der Ecke Thirty-first und Q-Street wurde offensichtlich eine ausgedehnte Dinner-Party vorbereitet. Aus einem großen Lieferwagen mit der Aufschrift »Georgetown Valet« wurden ausgewählte, überteuerte Leckereien ins Innere getragen, und die Gärtner testeten gerade
die falschen Gaslaternen vor dem Haus. Sie schienen zu funktionieren. Flacker, flacker .
Dann hörte der Schlachter Damenschuhe mit hohen Absätzen, klick-klack . Das einladende, fast schon verführerische Geräusch kam von vorne, wo der Bürgersteig nicht asphaltiert, sondern mit Pflastersteinen belegt war und sich wie eine auf dem Tisch ausgebreitete Halskette durch das Wohnviertel schlängelte.
Schließlich sah er die Frau von hinten − ein hübsches, wohl geformtes Ding mit langen, schwarzen Haaren, die den halben Rücken bedeckten. Irisches Blut, so wie er? Ein Mädel von der grünen Insel? Das ließ sich von hinten beim besten Willen nicht sagen. Doch die Jagd hatte begonnen. Bald schon wüsste er alles über sie, was er wissen wollte. Er hatte das Gefühl, als hätte er bereits jetzt ihr Schicksal in der Hand, als gehörte sie ihm, dem Schlachter, seinem mächtigen Alter Ego − oder war es sein wahres Ich? Wer konnte das schon sagen?
Er kam der rabenhaarigen Frau immer näher, warf prüfende Blicke in die engen Gassen, die hinter etlichen größeren Häusern verliefen, auf die kleinen baumbestandenen Areale, suchte nach einer guten Stelle, als plötzlich ein Laden vor ihm auftauchte. Was war denn das? Das einzige Geschäft weit und breit. Es kam ihm in dieser Gegend beinahe deplatziert vor.
Sarah’s Market stand auf dem Ladenschild.
Dann ging die dunkelhaarige Schönheit hinein. »Verdammt, entwischt«, flüsterte der Schlachter, grinste und stellte sich vor, wie er sich seinen Gauner-Schnurrbart zwirbelte. Er liebte dieses Spielchen, dieses gefährliche und provokative Katz-und-Maus-Spiel, bei dem er ganz allein die Regeln bestimmte. Doch sein Lächeln verschwand von einer Sekunde
zur anderen, weil er in Sarah’s Market etwas anderes entdeckt hatte, und dieses andere entsprach überhaupt nicht seinen Vorstellungen.
Dort lagen Zeitungen
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