Blood Empire - Das Blutreich
mehr für sie tun konnte. Sie flüsterte seinen Namen.
"Hey, das wollte ich nicht!"
"Ich... weiß...", hauchte sie.
Ihr Blick wurde starr.
Chase strich ihr über das Gesicht. Ohnmächtige Wut keimte in ihm auf.
"Bleib hier!", flüsterte er tonlos. Aber sie konnte ihn schon längst nicht mehr hören.
*
Comte Jean-Aristide Leroque betrat den Hauptsaal der Lester Gallery in der 39. Straße. Es war zehn Minuten nach Mitternacht, was bedeutete, dass Leroque etwas zu spät war. 'Mitternachts-Vernissage' nannte sich die jüngste Event-Reihe, mit der die Lester Gallery auf eine Reihe zeitgenössischer Künstler aufmerksam zu machen versuchte.
Leroque trug einen schlichten Smoking. Er ließ den Blick suchend über die illustre Gästeschar schweifen. Ein Pressefotograf knipste nervös seine Bilder. Es wurden Sektgläser gereicht.
Leroque lehnte dankend ab.
Ein Vampir war nämlich normalerweise zu keinem normalen Stoffwechsel in der Lage. Das einzige Getränk, das seinen Durst zu stillen vermochte, war der rote Saft des Lebens, der in den Adern der Sterblichen floss.
Seit gut 200 Jahren schon gehörte er zum Volk der Blutsauger. Er erinnert sich noch genau an die Marquise de la Martinique-Belforêt, jene Frau von adeliger Herkunft, die ihn einst zum Vampir gemacht hatte. Auf einem der rauschenden Feste am Hof von Versailles war es gewesen. In Paris hungerten die Massen, aber der König zeigte sich davon völlig unbeeindruckt. Den ganzen Abend über schon hatte Leroque damals den Eindruck gehabt, dass die Marquise ein Auge auf ihn geworfen hatte. Die Blicke, die sie ihm zu geworfen hatte, während sie im wiegenden Takt des Menuetts dahingetänzelt waren, hatten schon hier und da für Gerede gesorgt. Und der der Ehemann der schönen Marquise als ein leicht reizbarer, eifersüchtiger und ausgesprochen duellfreudiger Mann gegolten hatte, war Leroque zunächst nur sehr zögernd auf die Annäherungsversuche eingegangen. Aber schließlich war er den Verführungskünsten der Marquise und ihrem kultivierten Charme doch vollkommen erlegen. Erst, als sie sich gemeinsam in den Kissen ihres Schlafgemachs gewälzt hatte, war für Leroque schließlich offenbar geworden, was die schöne Marquise wirklich von ihm wollte.
Sein Blut.
Und seine Gefolgschaft.
Nach gut hundertfünfzig Jahren war sie der Gesellschaft ihres Ehemanns, der ebenfalls ein Vampir gewesen war, offenbar überdrüssig geworden.
"Blutsauger!", hatten damals auch die Menschen an der Bastille und auf den Tuillerien gerufen. Allerdings hatten sie wohl nicht an Angehörige des Vampirvolkes wie die Marquise gedacht, sondern an einen in Saus und Braus lebenden Adel, der es sich gut gehen ließ, während die Masse der Bevölkerung in bitterster Armut lebte.
Einige Monate später endete die schöne Marquise und ihr Mann unter der Guillotine, während Leroque die Flucht ins bourbonische Spanien gelang. Er hatte damals geglaubt, nie wieder eine Frau wie die Marquise finden zu können.
Mehr als ein Jahrhundert hatte vergehen müssen, ehe er jemanden traf, der ihn an die Marquise erinnerte.
Ein Lächeln spielte um seine dünnen Lippen, als er Petra Brunstein erblickte. Leroque hatte sie einst zur Vampirin gemacht. Jetzt war sie seine Assistentin und Geliebte.
Petra erblickte den Grafen.
Sie ließ den Kunstkritiker der New York Times einfach stehen und rauschte in ihrem schlichten schwarzen Kleid auf Leroque zu. Sie hielt ein Champagnerglas in der Hand. Natürlich würde sie nicht den Versuch machen, den Inhalt zu trinken. Aber es sah einfach gut aus, mit einem Sektglas auf einer Vernissage herumzustehen, die den eigenen Bildern gewidmet war.
Der Graf nahm ihre andere Hand, vollführte einen formvollendeten Handkuss.
"Schön, dass du da bist, Jean!", flüsterte sie.
"Ich bin leider etwas aufgehalten worden."
"Gibt es Probleme?"
"Ja, mit einem Sterblichen namens Chase was-weiß-ich. Ein entfernter Verwandter von Roy DiMario."
"Oh..."
"Keine Sorge, der wird uns schon nicht in die Quere kommen. Jack Tardelli und seine Leute kümmern sich darum. Und die waren bislang immer für ihre Zuverlässigkeit bekannt."
Ein flüchtiges Lächeln glitt über Petras Gesicht. Sie nestelte verspielt am Revers des Smokings herum. Sie warf einen Blick zurück zu dem Kritiker, der ihr mit etwas irritiertem Gesicht nachschaute. Petra zeigte ein kaltes Lächeln. "Ganz egal wie ich ihn behandele - er wird in jedem Fall diese Ausstellung loben", meinte sie.
"Die Gabe der
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