Blood Empire - Das Blutreich
Chase jetzt als erstes brauchte, waren neue Papiere.
Chase ging an den beiden Bodyguards vorbei. Sie ließen ihn gewähren. Ohne anzuklopfen trat Chase ein.
Laskovsky saß an seinem Schreibtisch. Ein Mann in den Fünfzigern, stämmig und mit Halbglatze. Chase hatte Tardelli mal begleitet, als es darum ging, Schulden bei dem Besitzer des NEW PARADISE einzutreiben. Laskovskys Nase konnte man immer noch ansehen, was an jenem Abend passiert war.
"Was willst du hier, Chase? Mich verprügeln?"
"Damit deine Typen gleich hereinstürzen und dasselbe mit mir machen?"
"Kluges Kerlchen!"
"Ich habe nichts gegen dich", sagte Chase. Laskovsky verzog das Gesicht. "Als Tardelli mich zur Sau gemacht hat, hast du interessiert zugeschaut."
"Ich brauche deine Hilfe."
"Ach! Weil die Cops dich suchen? Ich habe es vorhin in den Nachrichten gehört. Es gibt auch ein schönes Bild von dir."
"Das wusste ich noch nicht", murmelte Chase.
"Die wollen dich im Zusammenhang mit dem Tod einer Asiatin vernehmen."
Chase atmete tief durch. "Ich brauche Papiere."
"Kann ich mir denken. Für Personen, die so heiß sind wie du im Moment, ist der Preis etwas höher als normal."
"Wenn du mir hilfst, bringe ich Tardelli für dich um."
"Wer sagt dir, dass ich überhaupt möchte, dass Tardelli ausgeknipst wird?"
"Ich dachte, er presst dich aus wie eine Weihnachtsgans. Und deine Nase sieht auch nicht besonders hübsch aus. Für mich wäre das Grund genug..." Laskovsky zuckte die Achseln. "Wenn Tardelli das Geld nicht eintreibt würde es jemand anderes tun. Trotzdem, der Gedanke gefällt mir." Laskovsky erhob sich. Hinkend umrundete er den Schreibtisch. Auch das war auf das letzte Zusammentreffen mit Tardelli zurückzuführen. Zwei Monate hatte der Besitzer des NEW PARADISE im Krankenhaus verbringen müssen.
"Hast du Passfotos dabei?"
"Ja."
"Okay, du kriegst die Papiere in drei Tagen. Schneller geht's nicht. Bis dahin musst du sehen, wie du zurecht kommst. Ich will eine Anzahlung..."
"Kein Problem.
"Am Mittwoch rufe ich dich an. Kennst du die Telefonzelle an der Subwaystation DeKalb in Brooklyn?"
"Werde ich schon finden."
"Sei um 11.00 dort. Dann erfährst du Näheres."
"Okay."
*
Vergangenheit: 1961...
Franz Fürst von Radvanyi war allein. Er stand vor der Fensterfront seines im 85. Stock des Empire State Building gelegenen Büros und blickte auf das Lichtermeer der Stadt. Kaum eine Viertelstunde noch bis Sonnenaufgang. Im Hintergrund ratterten Fernschreiber, über die der Herr der New Yorker Vampire mit der Welt verbunden war und sein Imperium beherrschte. Alles verändert sich, dachte Radvanyi. Nur ein Vampir nicht. Das ist das Wesen unseres Volkes...
Er spürte bereits die Vorboten der täglichen komaähnlichen Agonie, die einen Vampir von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang heimsuchte. Drei Jahrhunderte hast du keinen Sonnenaufgang mehr gesehen, dachte Radvanyi. Diese letzten Minuten bevor sich die ersten Strahlen vom East River her zwischen den Häuserschluchten hindurch stahlen, waren für Radvanyi wie ein Spiel mit dem Feuer. Manchmal wartete er bis zum letzten Moment, ehe er die Jalousien herabließ.
Er war so nah dran an der Welt des Tages und doch blieb sie für ihn unerreichbar, wollte er nicht riskieren, zu einem Aschehaufen zu werden. Radvanyi aktivierte die elektrischen Rollläden, um vor der Strahlung geschützt zu sein. Er wartete noch auf eine wichtige Nachricht. Nur deswegen hatte er sich noch nicht zur Ruhe begeben. Die Fernschreiber ratterten unablässig weiter. Aber es war nicht jene Nachricht darunter, auf die der Fürst wartete. Ein paar wichtige Leute in der Stadtverwaltung waren abtrünnig geworden. Irgendjemand von außerhalb hatte ihnen wohl weisgemacht, dass er ihnen ein besseres Angebot machen könnte als der Fürst. Und jetzt hatte Radvanyi seine Leute ausgeschickt, um die Abtrünnigen zur Räson zu bringen. Radvanyi bedauerte, sie nicht einfach austauschen zu können. Jedenfalls ging das nicht auf die Schnelle, denn er brauchte sie für die Durchsetzung einiger lukrativer ImmobilienProjekte, die ihm am Herzen lagen. Radvanyi ging ein paar Schritte und ließ sich auf dem Louis XIV-Diwan nieder. Er schlug die Beine übereinander und schloss für einige Momente die Augen.
Die Müdigkeit wurde beinahe übermächtig.
Unerbittlich machte sie ihm deutlich, dass der Tag einfach keine Zeit für Vampire war.
Bilder tauchten plötzlich vor Radvanyis innerem Auge auf. Zunächst nur wirre Farben und Formen. Stimmen
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