Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe)
lockenköpfige Killer hatte sie einfach aufgetreten.
Seine Schalldämpfer-Pistole hielt er im Beidhand-Anschlag.
Der Lauf zielte auf Su.
Das Gesicht des Killers ließ Verwunderung erkennen. Seine Augenbrauen hoben sich. "Wo ist er?", fragte er. Seine Stimme war ein heiseres Krächzen, fast nur ein Flüstern. Irgendetwas mit seiner Stimme war offenbar nicht in Ordnung. Eine Narbe am Hals verriet, dass dort irgendwann einmal ein größerer Eingriff nötig gewesen war.
Su schluckte, schüttelte stumm den Kopf.
Sie wich weiter vor ihm zurück.
Chase war Tardellis Männern also entkommen!, ging es ihr durch den Kopf. Eine andere Erklärung konnte es für die Frage des Typs nicht geben.
Er feuerte.
Zentimeter von ihren Fußspitzen entfernt drang das Projektil in den Teppichboden ein, blieb anschließend im Estrich stecken.
Su blieb stehen.
"Keine Bewegung!", wies sie der Killer an. "Wo ist Chase?", fragte er noch einmal.
"Ich weiß es nicht!", flüsterte Su.
"Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder du sagst es mir schnell und bleibst vielleicht am Leben oder..."
Panik keimte in ihr auf.
Sie machte eine unbedachte Bewegung in Richtung der Schlafzimmertür.
Der Killer drückte ab, traf ihr Bein. Sie schrie auf, taumelte zu Boden. Das Hosenbein ihrer Jeans färbte sich rot.
"Was glaubst du wohl, wie viele Kugeln man einem Menschen verpassen kann, ohne dass er stirbt", wisperte der Killer.
Sie atmete schwer. Ihre Augen traten unnatürlich weit aus den Höhlen hervor.
"Ich habe mal einem Kerl siebenundzwanzig Dinger verpasst und er lebte immer noch. Mal sehen, ob du das auch so lange durchhältst, Baby!" Der Killer feuerte erneut. Diesmal traf er das andere Bein.
Su Nguyen stöhnte auf.
"Bei dem Kerl von damals war es allerdings auch ein kleineres Kaliber!", wisperte der Killer zynisch. Er trat noch einen Schritt näher an die verletzte junge Frau heran, hob seine Schalldämpfer-Waffe. "Diesmal ziele ich auf eine Schulter - es sei denn, du sagst mir noch etwas, was mich weiter bringt!"
Der Killer wandte plötzlich ruckartig den Kopf.
Etwas hatte ihn alarmiert. Ein Geräusch, ein Luftzug...
Ein Schatten!
Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung wahr.
Der Killer wirbelte herum.
Zu spät.
Die Schrotladung erwischte ihn aus einer Entfernung von kaum drei Metern. Den Hauptteil bekam sein Oberkörper ab.
Hunderte von kleinen Geschossen trafen gleichzeitig auf, was beim Opfer zwangläufig zu Schock und Herzversagen führte.
Er taumelte.
Chase feuerte seine Schrotpistole noch einmal ab. Auch diese Ladung erwischte den Killer mit voller Wucht. Doch dieser hatte einen Sekundenbruchteil zuvor seine Schalldämpfer-Pistole noch ein letztes Mal abgedrückt.
Vielleicht hatte sich auch nur seine Hand im Augenblick des Todes zusammengekrampft.
Su Ngyens Schrei schnitt Chase wie ein Messer durch die Seele.
Der Schuss, der sich aus der Waffe des lockenköpfigen Killer gelöst hatte, traf sie in den Bauch. Sie krümmte sich zusammen, presste die Hände gegen ihren Leib. Das Blut rann ihr zwischen den Fingern hindurch.
Chase starrte sie an.
Der Killer, der jetzt in eigenartig verrenkter Haltung auf dem Boden lag, interessierte ihn nicht mehr.
"Scheiße!", stieß Chase hervor.
Er trat an Su heran, sank auf die Knie.
Blut ergoss sich auf den Boden und wurde vom Teppichbelag aufgesogen.
Chase nahm sie den Arm, hielt sie fest. Er ahnte, dass er nichts mehr für sie tun konnte. Sie flüsterte seinen Namen.
"Hey, das wollte ich nicht!"
"Ich... weiß...", hauchte sie.
Ihr Blick wurde starr.
Chase strich ihr über das Gesicht. Ohnmächtige Wut keimte in ihm auf. "Bleib hier!", flüsterte er tonlos. Aber sie konnte ihn schon längst nicht mehr hören.
*
Comte Jean-Aristide Leroque betrat den Hauptsaal der Lester Gallery in der 39. Straße. Es war zehn Minuten nach Mitternacht, was bedeutete, dass Leroque etwas zu spät war.
'Mitternachts-Vernissage' nannte sich die jüngste Event-Reihe, mit der die Lester Gallery auf eine Reihe zeitgenössischer Künstler aufmerksam zu machen versuchte.
Leroque trug einen schlichten Smoking. Er ließ den Blick suchend über die illustre Gästeschar schweifen. Ein Pressefotograf knipste nervös seine Bilder. Es wurden Sektgläser gereicht.
Leroque lehnte dankend ab.
Ein Vampir war nämlich normalerweise zu keinem normalen Stoffwechsel in der Lage. Das einzige Getränk, das seinen Durst zu stillen vermochte, war der rote Saft des Lebens, der in den Adern der Sterblichen
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