Blood in mind (German Edition)
Songlians Hände von seinem Arm und richtete sich leicht schwankend auf.
„Bist du fertig?“, fragte er jetzt ungeduldig.
Der Vampir nickte und drehte sich zu dem schmollenden Phillip um. „Pass auf dich auf, ja? Und halte deine Ohren für mich offen.“
„Was mache ich denn nun ohne dich?“ Auf einmal klang Phillips Stimme ziemlich kläglich.
„Phil, du hast von Anfang an gewusst, dass das hier nur vorübergehend war. Du wirst schnell jemanden finden, der besser zu dir passt.“ Songlian zerzauste ihm freundlich das Haar und packte seine Tasche. Im nächsten Moment taumelte Far wieder, und Songlian musste erneut rasch zufassen. Far stöhnte und lehnte sich schwer gegen den Vampir.
„Warum gibst du nicht einfach zu, dass es dir schlecht geht? Her mit den Autoschlüsseln. So kannst du nicht fahren.“
Widerstandslos drückte ihm Far den Schlüssel in die Hand und ließ sich von dem Vampir zur Tür ziehen.
„So-lian!“, rief Phillip ihnen hinterher.
Songlian drehte sich halb zu ihm um.
„Vergiss mich bloß nicht“, murmelte der Junge.
Far wankte derartig neben ihm her, dass Songlian es nicht wagte, ihn loszulassen. Behutsam schob er seinen neuen Partner auf den Beifahrersitz und schnallte ihn an. Far ließ es seltsam widerstandslos über sich ergehen, aber er schien schon alle Kraft zu benötigen, um aufrecht zu sitzen. Als Songlian den Wagen auf die Straße lenkte, schloss Far stöhnend die Augen.
„Was ist los?“
„Wer … war das?“, wollte Far wissen. Im nächsten Moment presste er sich eine Hand auf den Mund, als ob ihm übel wurde. Songlian warf ihm einen kurzen Blick von der Seite zu. Das fehlte noch, dass Far in seinen geliebten Wagen kotzte.
„Phillip ist ein guter Freund und eine unschätzbare Hilfe.“
Er gab Gas. Der Wagen schoss vorwärts und dieses Mal wurde Far in den Sitz gepresst.
„Du lebst mit diesem … Bengel zu…sammen?“
Songlian murmelte etwas Unhörbares und warf wieder einen besorgten Blick auf seinen Partner.
„Kopfweh …“, stöhnte der und wischte sich matt über die Augen.
Knurrend gab Songlian Vollgas.
Schon als Zehnjähriger hatte sich Far für Kampfsport interessiert. An diesem schicksalsträchtigen Tag kam er mit seiner Sporttasche von einem erschöpfenden Training nach Hause, ohne zu ahnen, dass dies fortan nicht mehr sein Heim sein würde. Sonderbar war bereits die offen stehende Tür, ohne dass Momma irgendwo im Garten zu sehen war. Die Stille und die ungewöhnliche Dunkelheit, in der die Zimmer lagen, riefen ein beklemmendes Gefühl in Far wach. Achtlos ließ er die Sporttasche im Flur fallen.
„Momma?“, rief er in die Stille hinein. Er erhielt keine Antwort. Far drückte auf den Lichtschalter, aber entweder war die Birne kaputt oder die Sicherung war herausgesprungen. In der ebenfalls dunklen Küche fand er seine Mutter. Zumindest eines ihrer Beine. Er stolperte über die abgerissene Gliedmaße, als er die Küche betrat und fiel auf den schmierigen Fußboden. Metallischer Geruch stieg ihm warm und aus seinen Erinnerungen unauslöschbar in die Nase. Direkt vor seinen erschrockenen Augen lag die Leiche seiner Mutter und starrte ihn anklagend an. Gedärm ringelte sich vom Küchentisch und war so säuberlich über die Schränke drapiert worden, als würde es sich dabei um eine Girlande handeln. Far fühlte sich in diesen Moment, als hätte man mit einem Knopfdruck alle seine Gefühle auf Eis gelegt. Eine immense Leere bemächtigte sich seiner. Vorsichtig erhob er sich von dem rutschigen Boden – Blut, es musste Blut sein – und stieg über den toten Körper hinweg. Im Wohnzimmer fand er seinen Vater. Der Fernseher lief und zeigte ein Fußballspiel, auf das sich Dad schon seit Tagen gefreut hatte. Wie immer saß er in seinem schon etwas abgewetzten Lieblingssessel, nur dieses Mal ruhte sein Kopf auf dem Fernseher. Das ausgetretene Blut war in einem bizarren Muster an dem Gerät hinuntergelaufen und hatte auf dem Schränkchen eine Lache hinterlassen. Ein Auge war aus dem Kopf gerissen, das andere sah den verstümmelten Körper in dem Sessel mit leblosem Interesse an. Far registrierte am Rande, dass jemand mit Blut rotbraune Smileys auf die Wände geschmiert hatte, die ihn nun von allen Seiten aus angrinsten. Lauter Jubel brandete auf, als ein Tor geschossen wurde. Wie eine Marionette trat Far zum Fernseher und schaltete ihn aus. Das Fußballspiel fand somit ein ebenso drastisches Ende wie seine Eltern. Aber wo war Emma? Wo war
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