Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Fähigkeiten war ich für ihn keine ebenbürtige Gegnerin. Eine Niederlage aber durfte ich nicht riskieren. Nicht gegen ihn. Nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
Wenn ich unterlag, würde er den Oris Clef bekommen.
Wenn ich unterlag, würde er ihn benutzen.
Wenn ich unterlag, würde er die Kontrolle über alle Dämonen erlangen, die bei der Konvergenz übersetzten. Er würde die Reiter der Apokalypse befehligen. Und nicht nur vier, sondern vier Milliarden. Mehr sogar. Dämonen ohne Zahl, die die Erde heimsuchen würden wie eine Plage. Mit Penemue als Meister.
Nicht, wenn ich es verhindern konnte. Roses Schrei gellte mir noch im Ohr, da drehte ich mich schon um, packte sie bei der Hand und rannte los. Unter uns wölbte sich der Boden.
»Lily!« Rose stolperte über einen Stahlträger, der wie ein Wachposten aus dem Estrich ragte. Sie schlug der Länge nach hin und heulte auf vor Schmerz, weil die scharfen Kanten aus Stein und Metall ihre Jeans aufrissen und sich in ihre Hände bohrten.
Doch darum konnten wir uns jetzt nicht kümmern. Ich packte sie hinten am T-Shirt und wuchtete sie auf die Beine. »Los!«, rief ich. Sie torkelte ein wenig - wahrscheinlich war sie ihre neuen Beine und den größeren Körper noch nicht gewöhnt. Aber eins musste ich ihr lassen: Sie wurde bald schneller und lief bis zum Aufzug, ohne erneut hinzufallen, obwohl der Boden unter ihren Füßen rumpelte und wackelte.
»Los, los! Komm endlich!« Rose zerrte an der Gittertür des altmodischen Fahrstuhls, um sie aufzuschieben, aber es war nicht schwer zu erkennen, dass ihre Bemühungen nichts fruchteten. Ein kleines Detail, das Riesenärger machte, weil es meines Wissens keinen anderen Weg aus dem Keller gab, der einst Zanes Gefängnis gewesen war.
Ich biss die Zähne zusammen, fest entschlossen, nicht zu sterben. Zane hatte sich geopfert, weil er sich auf mich verlassen hatte, dass ich die ganze verdammte Welt retten würde. Ich fürchtete zwar, ich hatte nicht das Zeug zu der Heldin, die die Welt brauchte, aber ob das stimmte, musste ich in diesem Moment ja nicht herausfinden. Momentan musste ich lediglich überleben.
Ich drängte mich neben Rose, packte den Griff und zog am Gitter, so fest ich konnte.
Nichts.
Schöner Mist. Was halfen mir Superkräfte, wenn ich nicht einmal eine klemmende Tür aufbekam?
Ich wirbelte herum und hielt Ausschau nach Deacon. Er musste mir helfen, aber er war noch immer meterweit entfernt und versuchte, den Schlund zu umgehen, der sich immer weiter auftat und wie ein schwarzes Loch alles verschluckte - Möbel, Trainingsring, Waffen. Ich starrte gebannt, denn Deacon hatte die linke Hand verloren und konnte nur mit den fünf Fingern seiner Rechten an der Wand Halt suchen. Der graue Metallschrank war noch da, fest in die Wand gedübelt. Deacon riss einhändig die Tür auf, holte eine Armbrust heraus und schleuderte die Waffe in meine Richtung.
Penemues Tentakel schlug blind aus und peitschte die Armbrust aus ihrer Flugbahn. Ich hechtete ihr hinterher und konnte sie gerade noch fassen, ehe sie im Abgrund verschwunden wäre. Als Nächstes warf mir Deacon einen Köcher mit Pfeilen zu. Diesmal tat ich mich leichter mit Fangen. Schnell schob ich mir das Futteral auf den Rücken und hob die Armbrust. Mein Messer war die einzige Waffe, die einen Dämon ein für alle Mal töten konnte. Aber unter den gegebenen Umständen war ich schon froh zu wissen, dass ich diese Kreatur vorübergehend aufhalten konnte. Allerdings ist eine Armbrust nicht unbedingt ein Allheilmittel. In Anbetracht der Größe dieses Monsters, das sich seinen Weg durch den Estrich nach oben bahnte, hätte ich eigentlich einen Raketenwerfer gebraucht.
Deacon bewaffnete sich ebenfalls, packte dann die Schranktür und schwang sich mit ihrer Hilfe über den Rand des immer breiter werdenden Abgrunds. Ich hielt den Atem an. Wo er aufkommen würde, waren nur noch zehn Zentimeter Fußboden übrig. Wenn er strauchelte ... Wenn er nach irgendeinem Halt greifen musste ...
Musste er aber nicht. Und erst, nachdem er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, gestattete ich mir, tief Luft zu holen. Er war aber noch längst nicht in Sicherheit. Er stand mit dem Rücken zur Wand, die Zehen hingen über den gezackten Estrichrand. Das Ganze erinnerte an eine makabre Parodie auf einen Selbstmörder, der von hoch oben runterspringen wollte und auf einem Vorsprung balancierte.
»Deacon! Beeil dich!«, schrie ich. Er drückte sich von der Wand ab und sprang von dem
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