Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
schreiben!
Deshalb werde ich hiergegen meinen ausdrücklichen Willen die Geschichte erzählen, wie es dazu kam, dass ich Philip Osborn (das Biest) getroffen habe.
Es geschah im letzten Jahr, als ich vierzehn Jahre alt war, und ich erinnere mich an den Geruch der Weberei und daran, wie sehr ich das alles gehasst habe. Als ich Schwindelanfälle bekam, war ich deswegen geradezu begeistert. Die Influenza würde mich ins St. James bringen! Ich war die Älteste und die schreckliche Mrs Wheelock war wütend, weil ich ihr auf diese Weise abhanden kam. Ich war nämlich am Webstuhl besonders schnell. Obwohl mich das Fieber schüttelte, lachte ich ihr ins Gesicht.
Im St.James stapelten wir uns geradezu in einem kleinen Krankenzimmer, das weit weg von allen anderen nach hinten rausging. Ich nahm an, dass sie nach unserem Tod den Flur niederbrennen und sich gar nicht erst die Mühe eines würdigen Begräbnisses machen würden.
Das kleine Mädchen im Bett neben mir war sicher, dass wir dem Untergang geweiht wären, das feige Dingelchen. Sie klammerte
sich an mich, und ihre Gebete, zu nichts nutze wie Ratten, klingelten mir in den Ohren. Ich hatte nicht vor zu sterben.
Als ich Philips Gesicht zum ersten Mal sah, wusste ich, dass dieses Mädchen den Falschen um Gnade anflehte. Um die Augen war er recht fleischig und das kupferrote Haar und seine langfingrigen Chirurgenhände erweckten etwas in mir, das seitdem nie wieder schlief. Er war gekommen, uns kranken Kindern Linderung zu verschaffen, wenn er uns schon nicht wieder gesund machen konnte. Ich starrte seine Mundwinkel an, wenn er sich konzentrierte, denn sie zuckten, als er versuchte, sich beim Abhören des kleinen Mädchens die Wahrheit nicht anmerken zu lassen. Ich starrte und starrte, und als ich an der Reihe war, sagte er: »Du wirst nicht sterben, nicht wahr?«
»Nein, Sir«, gab ich zur Antwort.
Nach einer Woche waren außer mir alle gestorben. Philip holte mich aus dem St. James und nahm mich in sein hohes Stadthaus mit. Er hatte ihnen weisgemacht, ich wäre gestorben, und das tat mir kein bisschen leid! Mrs Wheelock zu entkommen, war das Risiko wert, einem völlig Fremden zu folgen. Philip wusch mich, gab mir ein eigenes Zimmer und eine gusseiserne Wanne mit einem Stück Seife, das er selbst gekocht hatte. Sie duftete nach Blumen! Doch selbst mit Seife und kochend heißem Wasser bekam ich die Knoten nicht aus meinen Haaren heraus. Ich erinnere mich an einen schrecklichen Augenblick, in dem ich fürchtete, er würde mich in die Weberei zurückschicken.
Als er mich weinend auf dem Boden fand, schnitt er mir die Haare mit einem schmalen Dolch ratzekurz und sagte: »Für jedes Problem gibt es eine Lösung, Josephine Darly. Wenn du das begreifst, wirst du es hier gut haben. Ich werde dich lesen und schreiben lehren und vielleicht noch andere Dinge, falls du dich gelehrig zeigst.«
Ich dachte, er meinte das zwischen Männern und Frauen, was
ich längst wusste. Doch ich behielt es für mich, weil ich wollte, dass er mich für unschuldig hielt. Außerdem gefiel mir die Vorstellung, lesen und schreiben zu lernen. Solchermaßen gebildet müsste ich nie wieder in die Weberei zurück. Also beschloss ich, ihn mit meinem Verstand, meinem Lernwillen und meinem hübschen Aussehen dermaßen zu betören, dass er mich mehr liebte als alles andere!
Wie hätte ich auch wissen sollen, dass das, was er mir beibrachte, so viel gewaltiger ist als die Liebe?
6
Nicholas
Die Yaleylah High School bestand aus zwei Gebäuden: einer dreistöckigen Lehranstalt und einer Turnhalle. Zwischen diesen Bausünden aus gelbem Klinker lag ein Parkplatz, und nach Süden erstreckte sich eine Rasenfläche, auf der anscheinend je nach Jahreszeit Football, Baseball, Leichtathletik oder Fußball trainiert wurde. Man sollte meinen, dass jede Sportart ihren eigenen Platz haben könnte, wo es hier so viel davon gab. Sogar in Chicago musste sich das Baseballteam nur mit dem Softballteam arrangieren.
Meine natürliche Neigung, mich über alles aufzuregen, wurde noch dadurch verstärkt, dass ich schlecht geschlafen hatte. Ich hatte die ganze Nacht davon geträumt, im Körper eines Hundes gefangen zu sein. (Fragt mich am besten gar nicht erst nach diesem Albtraum, den ich immer wieder habe. Ich weiß nicht, was Freud dazu gesagt hätte, und ich will es auch nicht wissen.) Außerdem war ich der Neue, noch dazu aus der Großstadt, mit einem ganz anderen Modestil (dem einzigen, würde ich sagen) und einem
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