Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
dann.« Ich bückte mich und hob das schmale Buch für sie auf. Es war schlicht und alt, ohne Titel. »Altes Familienerbe? «, scherzte ich.
Silla erstarrte mit leicht geöffnetem Mund, als hätte sie Angst, aber dann lachte sie. »Volltreffer.« Sie zuckte mit den Achseln wie bei einem lustigen Witz und nahm das Buch. »Danke. Bis dann, Nicholas.«
Ich hob die Hand zum Winken. Sie sauste davon, fast lautlos. Aber ich hörte noch lange, nachdem sie in der Dunkelheit verschwunden war, wie sie meinen Namen gesagt hatte, mit ihrer leisen Stimme, so gedehnt und irgendwie exotisch.
4
Silla
Als die Fliegengittertür hinter mir zuknallte, hörte ich die Stimme von Grandma Judy auf dem Anrufbeantworter, der gerade ihren Anruf aufzeichnete. »Hey, Kids, unser Bingo zieht sich hin, vielleicht, weil ich Wodka in Margies Punsch gekippt habe. Zum Abendessen schaffe ich es nicht, aber meldet euch, wenn ich noch was einkaufen soll. Ciao.«
Gut. Ich zitterte vor Aufregung und wollte mit Reese sprechen, bevor sie nach Hause kam. Als ich durch den Flur in die Küche ging, dachte ich an Nicholas Pardee, der die Magie beinahe gesehen hätte. Auf den Gedanken, mich auf dem Friedhof in Acht zu nehmen, war ich nicht gekommen. Normalerweise ging außer mir niemand dorthin. Nicholas’ Großvater, Mr Harleigh, war am anderen Ende der Stadt auf dem neuen Friedhof begraben, wo auch alle anderen lagen. Dad und Mom hatten nur hier ihr Grab, weil er in seinem Testament extra darum gebeten hatte, dass sie so nah an ihrem Zuhause ruhen konnten.
Doch Nicholas hatte sich nett um meine Hand gekümmert und mich mit so einem besonderen, forschenden Blick angesehen. Als würde er mein Geheimnis kennen. Dabei konnte das gar nicht sein. Selbst wenn er das Blatt gesehen hätte, würde er sicher glauben, er hätte es sich eingebildet. Niemand glaubte an Magie.
Ich nickte, wie um meinem eigenen Gedankengang zuzustimmen,
knipste das Küchenlicht an und legte das Zauberbuch auf den Esstisch. An der Spüle drehte ich den Wasserhahn auf und säuberte meinen Daumen. Die gerüschten Vorhänge über dem Spülbecken bauschten sich in der Brise, die durchs offene Fenster wehte, und ich stellte mir vor, meinen Lieblingsshowsong der Woche zu singen, während Mom dazu summte und in ihrer Lieblingsschürze – der mit den Cartoon-Kaninchen drauf – Kartoffeln schälte. Jetzt lag die Schürze ordentlich gefaltet ganz unten in einer Schublade am Herd.
Ich tupfte meine Hand ab und untersuchte die Wunde. Das Messer hatte einen kleinen, glatten Schnitt gemacht, der schmerzhaft pochte. Ich konnte immer noch nicht recht glauben, dass die Magie wirklich funktioniert hatte und dass ich mich dafür tatsächlich ins eigene Fleisch geschnitten hatte. Dass ich überhaupt so viel Mumm aufgebracht hatte. Als ich mich umdrehte, an die Spüle lehnte und das Zauberbuch ansah, gab es mir einen Stich ins Herz. Magie gab es wirklich. Ich hatte dieses Blatt durch einige Linien in der Erde, mein Blut und ein paar kurze Worte verwandelt.
Magie gab es wirklich und mein Vater war nicht verrückt.
Ich war so erleichtert, dass ich mich setzen musste. Es war nichts zu hören außer dem leisen Ticken der Großvateruhr im Flur und meinem eigenen Atem. Ich stützte die Ellbogen auf den Holztisch und faltete die Hände. Mit den Füßen trappelte ich hektisch auf die Dielen, als wollte ich wegrennen, ganz weit weg. Das war blöd, aber ich konnte nicht damit aufhören. Ich wünschte wirklich, ich könnte fortlaufen, schreien, in den Himmel hochfliegen und lachen, während ich auf die verwandelte Welt hinuntersah.
Vor zwei Stunden hatte ich mich noch verlassen gefühlt, war ein Mädchen mit toten Eltern und einem wütenden, verstörten
Bruder. Jetzt dagegen wusste ich, dass mein Vater in dem Zauberbuch weiterlebte. Durch die Magie.
Ich musste lächeln und stellte mir eine Maske vor, die mein Gesicht verbarg. Sie war strahlend gelb und blau, übersprenkelt mit goldenem Glitzer, und hatte fröhliche pinkfarbene Blümchen in den Mundwinkeln eines breiten Lächelns.
Es war acht Uhr abends. Reese würde jeden Moment nach Hause kommen. Während ich auf ihn wartete, konnte ich mich nicht auf die Hausaufgaben konzentrieren, aber ich hatte auch keinen Hunger und das Haus war bestens geputzt. In den letzten Monaten hatte ich sehr viel Zeit damit verbracht, sauber zu machen und zu kochen, nur um mich abzulenken. Ich musste immer etwas zu tun haben, aber auch eine Toilette hat eine Toleranzgrenze für
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