Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
WC-Reiniger. Trotzdem sprang ich auf. Das braune Papier, in das das Zauberbuch gewickelt war, lag an der Haustür auf dem Boden. Ich knüllte es zusammen und warf es in den Altpapierbehälter unter der Spüle. Dann räumte ich die Spülmaschine aus und dekorierte die Gänseblümchen in der Vase im Esszimmer neu. Ich fegte den Hartholzboden im Flur, um alle Teppiche herum, im Hobbyraum und in Grandma Judys Zimmer. Selbst als ich auch die Küche einmal durchgefegt hatte, war nicht viel auf dem Handfegerblech gelandet. Ich wischte überall Staub außer in Dads Arbeitszimmer, aber auch dafür brauchte ich nur ein einziges Swiffertuch, weil ich erst vor zwei Tagen alles abgestaubt hatte. Schließlich schnappte ich mir ein Taschenbuch von Reese, einen historischen Krimi. Schon auf der ersten Seite kam Blut vor und ich konnte nicht weiterlesen. Als Nächstes probierte ich es mit einer von Grandma Judys linkspolitischen Zeitschriften, bis die Wörter auf der Seite verschwammen und ich an Runen und magische Objekte denken musste.
Draußen wurde eine Wagentür zugeknallt. Mein Herz raste und ich schloss die Augen, um lange und ruhig einzuatmen. Reeses vertraute Schritte stapften zur Veranda hoch und die vordere Fliegengittertür quietschte.
Ich drückte das Zauberbuch an die Brust und ging ihm entgegen.
Reese stützte sich halb drinnen, halb draußen ab, während er mit dem Po an der Fliegengittertür auf einem Bein balancierte und den Matsch von seinen Stiefeln kratzte.
Er war zwei Jahre älter als ich und sollte an der Universität von Kansas seinen Bachelor machen. Aber nach dem Tod unserer Eltern hatte er sein Studium erst mal verschoben, und ich konnte mich nicht dazu aufraffen, mich deshalb mit ihm zu streiten.
Als er sich umdrehte, um ins Haus zu kommen, zuckte er zusammen und schlug mit der Hand an den Türrahmen. »Mensch, Sil, was zum Teufel machst du da?«
Ich bot ihm das Zauberbuch mit beiden Händen wie eine Opfergabe dar.
»Was ist das?« Er kam mit schweren Schritten herein und schnappte sich lässig das Buch. Ich unterdrückte ein verzweifeltes Wimmern und biss mir auf die Unterlippe.
Reese ging um mich herum in die Küche. Er warf seine Brieftasche auf den Tisch und das Buch daneben. Dann holte er sich ein Glas aus dem Küchenschrank und goss sich Wasser ein. »Woher hast du das?«
Ich staunte über sein mangelndes Interesse und sagte nur: »Es gehört Dad.«
Er führte das Glas nicht weiter zum Mund. Nach kurzem Verharren stellte er es vorsichtig auf die Arbeitsplatte und drehte sich zu mir um. In seinem Gesicht arbeitete es.
»Hier.« Ich schlug das Buch auf und holte den Brief des Diakons
heraus. Dabei vermied ich es, Dads Handschrift anzusehen. Ich wedelte Reese mit dem Brief vor der Nase herum.
Schwerfällig, als drücke er seine Hand durch Wasser, nahm er ihn. Während er ihn entfaltete und las, beobachtete ich sein Gesicht. Er musste sich rasieren, aber das war nicht ungewöhnlich. Seine Haut war dunkler als je zuvor, weil er in letzter Zeit viel draußen mit den Erntehelfern gearbeitet hatte. Die Sonne hatte seine Haare vergoldet und war ihm in alle Poren gesunken. So sah er älter aus. Vielleicht hatte das aber auch mit Mom und Dad zu tun.
Er verzog stirnrunzelnd den Mund und zwei dunkle Flecken erschienen auf seinen Wangen. Plötzlich zerknüllte er den Brief in der Faust.
Ich machte einen Satz. »Reese!«
»So’n Scheiß«, sagte er, nahm das Zauberbuch und blätterte darin.
»Gar nicht wahr!«
»Möchtest du etwa, dass es stimmt?« Er warf das Buch wieder auf den Tisch.
»Es stimmt wirklich.« Ich nahm seine Faust in beide Hände und löste seine Finger, bis ich den Brief zu fassen bekam. Meine Hände zitterten schon wieder.
»Das ist verrückt. Wenn das Buch hier Dad gehört hat, beweist das nur, was alle sagen: Er war wahnsinnig und hat es mit Absicht getan.«
Meine Zunge vertrocknete und schrumpelte an meinen Gaumen. Wie üblich brachte ich gegen seine schreckliche Gewissheit kein Wort heraus.
»Oh ja, Sil. Mit Absicht. Es war sein Plan, sie zu erschießen. « Seine Stimme bebte. Er ballte die Fäuste, als wolle er noch mal gegen die Wand schlagen.
»Nein.« Ich huschte zum Tisch und nahm das Zauberbuch
an mich. »Ich habe es ausprobiert. Die Magie funktioniert. Ich …«
»Quatsch.«
Sein scharfer Ton schnitt durch meine fröhliche Maske. Sie fiel mir vom Gesicht.
Reese verschränkte die Arme. »Erzähl keinen Quatsch, Silla. Ich bin müde und hab auf so was keinen
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