Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
kurz in die Augen.
Die Sonne spielte mir einen Streich und ließ seine sonst braunen Augen plötzlich schwarz und kalt erscheinen. Ich schreckte zusammen und wich zurück.
»Silla?« Als er den Kopf drehte, fiel das Licht auf seine Augen und spiegelte sich ganz normal.
»Hm.« Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mr Emory«, flüsterte ich. »Mir geht es gut, danke.«
Er verzog verärgert den Mund, nickte und ließ mich durch. Langsam bot ich dem Inneren des Geschäfts die Stirn.
Josephine konnte überall sein. Ich drückte mich an das gläserne Schaufenster und ließ den Blick durch die Gänge mit den Lebensmitteln schweifen. Zwei Kassen waren besetzt. Die Schwestern Beth und Erica Ellis in ihren blauen Schürzen hatten ewig als Einpackerinnen gearbeitet, bevor sie im letzten Jahr aufgestiegen waren. Mrs Anthony stand mit ihrem Sohn Pete bei den Obstdosen. Pete strampelte mit seinen pummeligen Beinchen im Kindersitz des Einkaufswagens. Mrs Morris konnte sich nicht zwischen Cheerios und Frosted Flakes entscheiden und Mr Mercer, der Ladeninhaber, redete hinten an dem kleinen Fleischstand mit Jim, dem Metzger.
Jeder von ihnen konnte es sein. Oder alle. Ich hatte nicht gesehen, wohin Josephines Krähen geflogen waren. Vielleicht wartete sie darauf, dass meine Wachsamkeit nachließ. Mein Herzschlag pochte in meinen Ohren, als ich zielsicher zur Papierabteilung ging. Alle sahen mich an. Sie beobachteten mich. Genau wie die Krähen. Es war genauso wie an diesem schrecklichen Tag, nachdem Wendy besessen gewesen war. Überall sah ich nur Feinde. Und mittlerweile wusste ich, dass Kindergartenspielchen wie das Malen von Runen keinen Sinn hatten.
Sogar Klein Pete hörte auf zu strampeln, als ich vorbeikam.
Ich schnappte mir eine Packung Billigservietten und konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, zur Kasse zu rennen.
Erica Ellis lächelte voller Mitleid. »Hast du gefunden, was du wolltest?«, fragte sie wie immer.
Ich lachte. Es klang selbst in meinen Ohren nach Hysterie.
Sie hielt inne, um ihrer Schwester mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zuzuwerfen. Was ich brauchte, gab es in keinem Lebensmittelgeschäft der Welt.
Als sie meinen Fünfdollarschein entgegennahm, spürte ich eine neue Skepsis, als könnte er ansteckend sein. Die Kassiererin zog die Stirn kraus, als sie die Wunden an meinen Händen sah. Am liebsten hätte ich meinen Pullover runtergezogen und ihr die lange, gezackte rosafarbene Narbe an meinem Schlüsselbein gezeigt.
Doch hinter ihr schnappte ich den feindseligen Blick von Beth auf. Sie konnten locker alle meine Feinde sein. Alle konnten sie Josephine sein.
Deshalb sagte ich nichts, nahm mein Wechselgeld und die Servietten und ging wieder.
Nicholas
Die Dairy-Queen-Eisdiele von Yaleylah lag in einem Betongebäude neben dem Supermarkt, in dem ich mit Eric Kaffee gekauft hatte. Die Fassade bestand aus schmutzigen Panoramascheiben und einem riesigen weißroten Schild. Schon aus sechs Metern Entfernung konnte ich sehen, wie der Kunststoff von den Plastiksitzen blätterte. Hinter der Verkaufstheke lungerte ein müde wirkender Junge.
Zum Glück bewahrte mich ein Hupen davor, hineinzugehen. Als ich mich umdrehte, öffnete Silla die Tür vom Laster ihres Bruders. Sie rutschte aus der Kabine, ging zur Ladefläche und holte etwas.
Ich stützte den Ellbogen hinten auf die Seitenklappe. Sie hatte die Zauberkiste meiner Mutter in der Hand.
Silla reichte sie mir. »Die will ich nicht im Haus haben.«
Mir blieb die Luft weg. »Oh. Na gut.« Dabei hatte ich mich schon darauf gefreut, ihr zu erzählen, was ich mit meinen Augen gemacht hatte. Ich hatte gehofft, ich könnte sie so ein wenig ablenken und ihr wieder Lust auf Magie machen.
Sie legte die Kiste in meine Hände und ging zurück. Die Arme hatte sie über dem Bauch verschränkt. Bevor sie sich abwandte, entdeckte ich Tränen auf ihren Wangen. Ihre Haare hingen schlaff herunter. Der akute Schmerz ihrer Zurückweisung verblasste und ich wollte ihr nur noch helfen.
»Silla, oh Silla.« Ich stellte die Kiste rasch auf die Straße und streckte die Hände nach ihr aus. Sie drehte sich nicht um, aber sie ließ es zu, dass ich meine Hände sanft auf ihre Schultern legte. Dann lehnte sie sich sogar an mich. Ich drückte die Wange an ihr Haar. Langsam nahm sie die Hände hoch und hielt sich an meinen Fingern fest. Wir hatten immer noch uns. Wirklich. Ich musste daran glauben. Sie wies mich nicht zurück, auch wenn die Magie zu mir gehörte,
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